Der deutsche Halbleiterhersteller Infineon setzt mit einer neuen Fabrik in Malaysia vor allem auf künftige Geschäfte in China. Eine hochriskante Strategie.
Infineon-Chef Jochen Hanebeck streifte willig ein landestypisches Batik-Hemd mit grässlich-grünlichen Farben über. Anwar Ibrahim, der Premierminister Malaysias, reiste extra aus der Hauptstadt in den gut 350 Kilometer entfernten Technologiepark Kulim, um mit dem deutschen Manager vor die Kameras zu treten. Beim heimischen Sender Star-TV lief die Eröffnung der neuen Halbleiterfabrik anschließend als Spitzenmeldung in den Nachrichten. Über mangelnde Aufmerksamkeit musste sich der deutsche Konzern in der vergangenen Woche also nicht beklagen.
Das ändert allerdings nicht daran, dass die 2 Mrd. Euro teure Fabrik zu den wackligsten Investitionen der Welt gehört. Das „Handelsblatt“ spricht zu Recht vom „denkbar schlechtesten Zeitpunkt“ für die Eröffnung der Fabrik. Infineon kämpft mit einem Gewinneinbruch und muss sparen, wo es nur geht. Hanebeck baut gerade 2800 Stellen in Deutschland und anderen europäischen Ländern ab. Während der Konzern in Malaysia neue Kapazitäten aufbaut, leiden andere Infineon-Werke unter mangelnder Auslastung. Viele teure Maschinen zur Halbleiterherstellung laufen nicht. Das belastet die Bilanz mit der gewaltigen Summe von 800 Mio. Euro.
Die Investition in Kulim gleicht einer Wette auf die Zukunft. Nur wenn in China die Nachfrage nach Infineon-Chips in den nächsten Jahren stark anspringt, kann sich die ganze Operation rechnen. Infineon und die beiden wichtigsten Konkurrenten NXP und Renesas decken bisher fast 60 Prozent des Bedarfs der E-Autohersteller. Doch gerade in diesem besonders wichtigen Segment des Halbleitermarktes verändern sich gerade die Parameter, die jahrelang gesetzt waren.
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Auf Befehl des chinesischen Diktators Xi Jinping investiert die Volksrepublik gerade massiv in die Entwicklung und Produktion von Halbleitern. China möchte die technisch fortgeschrittensten Chips selbst herstellen, wie sie beispielsweise Nvidia für den Bereich Künstliche Intelligenz produziert. Doch das dürfte nach Meinung der meisten Experten ein Blütentraum bleiben.
Einen Flop kann sich Infineon nicht leisten
Anders sieht es dagegen bei Chips aus, wie sie Infineon produziert. Auf diesem Gebiet holen die chinesischen Hersteller gerade schnell auf. Und selbst wenn sie nicht ganz das Niveau der europäischen und japanischen Hersteller erreichen, kann sich Infineon nicht darauf verlassen, mit höherwertigen Produkten weiter zu punkten wie bisher. Schon gibt es eine Weisung von allerhöchster Stelle in China, die heimischen Autoproduzenten sollten gefälligst mehr chinesische Halbleiter einbauen. Und der politische Druck wird wachsen. Xi Jinping zielt auf Autarkie bei Chips und anderen Elektronikbauteilen – und sieht den Kampf darum als wichtigstes Schlachtfeld im wirtschaftlichen Kampf mit den USA.
Sollte sich die Investition in Kulim als Flop erweisen, wird es eng für den gesamten Infineon-Konzern. Wie schnell man mit einer nutzlosen Fabrik dasitzt und welche Folgen damit einhergehen, zeigt ein anderer Konzern, der einst aus einer Siemens-Sparte entstanden ist genau wie Infineon: AMS-Osram. Das deutsch-österreichische Unternehmen musste im Februar 1 Mrd. Euro auf ein neues Werk in Malaysia abschreiben. Der Aktienkurs brach streckenweise um 40 Prozent ein und dümpelt seitdem auf niedrigstem Niveau dahin.