US-Wahl 2024: Alles KI, oder was? Trumps Zuschauer-Fetisch wird zur Wahlkampflüge

Donald Trumps Obsession für Zuschauermengen erreicht jetzt Kontrahentin Kamala Harris: Der Ex-US-Präsident wirft ihr vor, ihr Publikum größer zu machen, als es ist. Seine Klage hat Methode.

Wenn Beifall eine harte Droge ist, dann ist Donald Trump der berühmteste Junkie. Nichts hält den früheren Ex-Präsidenten mehr auf Trab als ein Applausometer am Anschlag. Das war schon Anfang der 90er Jahre so, als er sich als sein eigener Pressesprecher ausgab, bei New Yorker Zeitungen anrief, um sie mit Klatsch und Tratsch über sich selbst zu versorgen. Oder später im Fernsehen, als er als Reality-„Geschäftsmann“ quotenwirksam Leute feuerte. Hauptsache Publikum, immer und vor allem: viel Publikum. 

„Größte Zuschauerzahl“ jemals!

Damals konnte er noch nicht ernsthaft damit rechnen, aber der Höhepunkt stand dem aufmerksamkeitsgetriebenen Immobilienerben erst noch bevor: die US-Präsidentschaft. Für die legte er am 20. Januar 2017 den Eid ab und setzte mit der Machtübernahme neue Maßstäbe in Sachen Publikumsmessung: Es sei die „größte Zuschauerzahl gewesen, die jemals einer Amtseinführung beigewohnt“ habe, sagte sein Sprecher damals. Die offenkundige Lüge taufte seine Kommunikationschefin anschließend auf den Namen „alternative Fakten„.

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Siebeneinhalb Jahre sind seitdem vergangen, doch an Trumps Obsession mit Zuschauermengen hat sich nichts geändert. Nur Masse zählt. Und das gilt in jeder Hinsicht auch umgekehrt, wie jetzt ein Wahlkampfauftritt von Kamala Harris in Detroit zeigte. Die Präsidentschaftskandidatin der demokratischen Partei war jüngst mit der US-Vizepräsidentinnenmaschine auf dem dortigen Flughafen gelandet und wurde von rund 15.000 jubelnden Zuschauern empfangen. 

So viele Menschen? Bei Kamala Harris?

Dem Vernehmen nach sollen die Menschen schon stundenlang in der prallen Sonne auf Harris gewartet haben, was durchaus als Indiz dafür dienen kann, dass Trumps Kontrahentin so etwas wie eine Euphoriewelle losgetreten hat. Doch Moment! So viele Menschen? Bei Kamala Harris, der ehedem graumäusigen Vizepräsidentin? In einem Flughafen-Hangar? Mitten in der Woche? Pustekuchen!

Trump erfindet Helikopter-Notlandung 13.48

„Ist jemandem aufgefallen, dass Kamala am Flughafen geschummelt hat? Sie hat eine riesige ‚Menschenmenge‘ mit Hilfe künstlicher Intelligenz aufgebauscht. Das Gleiche passiert mit ihren gefälschten ‚Menschenmengen‘ bei ihren Reden“, verkündete Trump verschwörerisch auf seiner Plattform „Truth Social“. Beweise für seine Behauptung blieb der Ex-US-Präsident schuldig. In seinem Post erwähnt er nur eine ominöse Spiegelung am Rumpf des Regierungsflugzeugs.

Donald Trump winkt ins Nichts

Harris‘ Wahlkampfteam reagierte, ebenfalls per Social Media, prompt und sachlich: Es handele sich um ein echtes Foto des Harris-Walz-Publikums in Michigan, schrieben die Mitarbeiter auf X, ehemals Twitter. Ihre Anhänger dagegen fluteten die Plattform mit Videos mit Trump-Auftritten in halbleeren Hallen oder mit halbechten Schnipseln, in denen Trump ins Nichts winkt

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Die Liste an „Ich habe die größten“-Angebereien ließe sich fortsetzen. Ende August 2017 etwa besuchte der US-Präsident Trump den vom Hurrikan „Harvey“ übel getroffenen Ort Corpus Christi in Texas. Natürlich versprach er Hilfe, aber mehr noch entzückte er sich darüber, wie viele Leute ihn dort sehen wollten und dass der Sturm die TV-Quoten in die Höhe treiben würde. Ziemlich sicher hatte er damit sogar Recht. Wenn „The Donald“ etwas gelernt hat, dass lautes Dauerklappern seine einzige Währung ist. 

Zielloses Monologisieren und wirre Gedanken 

Nach dem Einstieg von Kamala Harris in das Präsidentschaftsrennen ist Trump allerdings etwas aus dem Fokus gerückt. Es weht sogar ein wenig der Wahlkampf-Geist von 2016 durchs Netz, als der damalige Noch-Nicht-Präsident sich regelmäßig mit seiner eigenen Bullshitshow blamierte und von seiner Kontrahentin genüsslich vorgeführt wurde. Trump gewann dennoch oder genau deswegen, weshalb US-Präsident Joe Biden nun zur Vorsicht mahnt: Man dürfe nicht wieder den Fehler machen und Trump unterschätzen, sagte er nach seinen Rückzug als Kandidat. 

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Das kann leicht passieren, wenn man den Wahlkämpfer Trump seinem ziellosen Monologisieren und wirren Gedanken bei öffentlichen Auftritten hört. Dennoch versteht er es immer noch meisterhaft, das Interesse des Publikums mit abenteuerlichem Vergleichen auf sich zu ziehen. 

So erzählte er auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im heimischen Florida jüngst, dass sein Publikum am 6. Januar 2021 größer gewesen sei als die Zuschauerschar bei der legendären „I have a dream“-Rede von Martin Luther King. Bei dessen „Marsch nach Washington“ am 28. August 1963 nahmen etwa 250.000 Menschen teil. Vor dreieinhalb Jahren waren einige Tausend Menschen vor Ort – viele von ihnen stürmten später das Kapitol und machten diesen Mittwoch zu einem schwarzen Tag für die US-Demokratie.

„Die, die schummeln, werden überall betrügen“ 

Trump jüngster Post über das angeblich KI-manipulierte Harris-Publikum in Detroit lässt auch bereits erahnen, in welche Richtung er den Wahlkampf treiben wird: „Sie schummelt. Genauso wollen die Demokraten die Wahlen gewinnen, mit Schummeleien. Sie (Harris, d.Red.) sollte ausgeschlossen werden, denn Falschbilder sind Wahlmanipulation. Die, die so etwas tun, werden überall betrügen“, schreibt der Ex-US-Präsident. 

Harris robbt in Umfragen an Trump heran 17.49

Wie schon zu diesem Zeitpunkt vor vier Jahren, sät Trump Zweifel. Zweifel an der Legitimität der Kandidatin Harris, Zweifel an den Bildern, die sie produziert, Zweifel an der Wahl an sich. Jeder seiner „besorgten“ Einwände über eine angeblich „unfaire“ Abstimmung bringen ihm Schlagzeilen und Aufmerksamkeit. Aber das Land eben auch näher an das, was er im Fall seiner Wahlniederlage im „Time“-Magazin drohend als „Blutbad“ bezeichnete.

Quellen: The Hill„, „Slate„, X.com, Kamala Harris auf X, „Zeit„, Vox.com, „Washington Post