Der Senat wollte mehr Radwege bauen als die Vorgängerregierung. Dieses Ziel hatte der Regierende Bürgermeister Wegner ausgerufen. Doch schon im zweiten Jahr wird es verfehlt.
Beim Radwege-Ausbau fällt der Berliner Senat in diesem Jahr hinter die selbst gesteckten Ziele zurück. Im bisherigen Jahresverlauf wurden lediglich sieben Radweg-Projekte mit einer Gesamtlänge von knapp 4,2 Kilometern für den Verkehr freigegeben, wie die Senatsverwaltung für Verkehr auf Anfrage mitteilte. Das ist weniger, als der gemeinnützige Verein Changing Cities für das erste Halbjahr festgestellt hat, der sich für eine nachhaltige Radinfrastruktur in Berlin einsetzt.
Insgesamt 16,7 Kilometer für 2024 geplant
Dem Verein zufolge wurden im ersten Halbjahr immerhin 10,6 Kilometer Radwege gebaut. Wie die Differenz zwischen der Zählung des Vereins und den Angaben der Senatsverwaltung zustande kommt, blieb zunächst unklar. So oder so: Die Ziele für den Radwege-Ausbau wird der Senat in diesem Jahr wohl verfehlen.
Den Senatsangaben zufolge sind für 2024 insgesamt 24 Radwege-Projekte mit einer Gesamtlänge von 16,7 Kilometern geplant. „Laut Mobilitätsgesetz hätten es 50 km sein sollen“, teilte Changing Cities mit. Berlins Regierender Bürgermeister hatte im Jahr 2023 zudem angekündigt, bei diesem Thema mehr Tempo machen zu wollen als die rot-grün-rote Vorgängerregierung.
Wegner im Jahr 2023: Werden Jaraschs Bilanz locker überbieten
Im Jahr 2022 waren unter der grünen Verkehrssenatorin Bettina Jarasch rund 26,5 Kilometer Radwege hinzugebaut worden. „Ich finde, das ist keine gute Bilanz“, sagte Wegner vor rund einem Jahr. „Die Bilanz, die Frau Jarasch hingelegt hat in einem Jahr, die werden wir locker überbieten.“ Doch davon ist die schwarz-rote Landesregierung zumindest 2024 weit entfernt.
Ob das von Wegner ausgerufene Ziel weiter gilt, lässt die Senatsverwaltung offen. „Es ist unser Ziel, eine flächendeckende Radinfrastruktur in Berlin zu schaffen“, teilte sie lediglich mit. „Die Umsetzung hängt von vielen Faktoren ab, die nicht immer nur in unserer Hand liegen, so dass man sich hier nur schwerlich eine konkrete km-Zahl als Ziel setzen kann.“ Zudem sei es neben dem Neubau neuer Radwege auch wichtig, bestehende Strecken zu sanieren, damit diese wieder gut und sicher befahrbar seien.
Ein wesentlicher Treiber bei den CO2-Emissionen im Verkehr ist der Autoverkehr. Insbesondere den Kommunen kommt deshalb eine wichtige Rolle zu, mehr Menschen zum Umstieg vom Auto auf den Umweltverbund aus Bus, Bahn und Fahrrad zu bewegen. 2018 verabschiedete die damalige Berliner Landesregierung deshalb das sogenannte Mobilitätsgesetz. Der Kern: Der Umweltverbund soll in der Hauptstadt Vorrang haben vor dem Autoverkehr.
Mobilitätsgesetz sieht Radschnellwege vor
Bis 2030 schreibt das Gesetz in Berlin ein dichtes Fahrradwegenetz aus sogenannten Radschnellwegen und gewöhnlichen Routen mit einer Gesamtlänge von 2.700 Kilometern vor. Die Radschnellwege sollen eine möglichst rasche Fahrt aus den Außenbezirken in die Innenstadt gewährleisten, mit möglichst wenigen Zwischenstopps. Damit könnte das Rad auf diesen Routen eine echte Alternative zum Auto werden.
Doch schon die Vorgängerregierung geriet in erheblichen zeitlichen Verzug bei der Umsetzung. Ursprünglich waren zehn solcher Verbindungen geplant, eine wurde schon 2022 gestrichen. Anfang August hieß es von Changing Cities, dass die Planungen für acht weitere Routen eingestellt worden seien.
Auf Anfrage widersprach der Senat dieser Darstellung. „Es gibt für die Radschnellverbindungen bisher zwar unterschiedliche Planungsstände, aber keine Streichungen“, teilte eine Sprecherin mit. Allerdings sei aufgrund der angespannten Haushaltslage eine realistische Einschätzung und Terminierung der Finanzierbarkeit aller Projekte derzeit nicht möglich.
Sternfahrt gegen Radverkehrspolitik
„Prioritär“ würden derzeit allerdings nur drei Radschnellwege weiterbearbeitet. Dabei handele es sich um den Radschnellweg Nummer drei auf dem Kronprinzessinnenweg zwischen Wannsee und Charlottenburg entlang der Autobahn A115. Dieser ist schon jetzt gut ausgebaut und wird insbesondere von Rennradfahrerinnen und -fahrern rege genutzt. Umgesetzt werden sollen in Teilen auch die Routen 5 und 9, die zur sogenannten Ost-West-Route gehören.
Es sei gleichwohl vorgesehen, alle bestehenden Planungsaufträge zu erfüllen. Doch viele Bürgerinnen und Bürger haben daran ihre Zweifel. Hunderte demonstrieren Ende vergangener Woche mit einer Sternfahrt gegen die Radverkehrspolitik des Senats und gegen eine Streichung der Radschnellwege.