Shell bezeichnet ein Produkt wegen Investitionen in Waldprojekte als CO2-neutral. Tui Cruises wirbt mit einem Slogan zur Dekarbonisierung bis 2050. Beides ist nicht korrekt, urteilt ein Gericht.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat gegen zwei Konzerne geklagt, die ihre Kunden mit klimabezogener Werbung in die Irre geführt haben sollen. In beiden Fällen gab das Landgericht Hamburg den DUH-Klagen statt.
Auf der Anklagebank saß unter anderem der Mineralölkonzern Shell, der ein Motorenöl als „CO2-neutral“ bewarb. Das ist nun verboten, teilte das Gericht mit. Darüber hinaus dürfe Shell Autofahrern nicht mehr – wie auf einer Internetseite des Unternehmens geschehen – einen Ausgleich der durch sie verursachten CO2-Emissionen zu einem Preis von 1,1 Cent pro Liter getanktem Otto- oder Dieselkraftstoff versprechen.
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch begrüßte das Urteil als „Paukenschlag für den Klimaschutz“. Mit der Gerichtsentscheidung sei „die durch Shell verursachte Verbrauchertäuschung gestoppt“, erklärte er.
Problematische Waldprojekte sollen Emissionen kompensieren
Die DUH bemängelt zum einen die mangelnde Transparenz, also Angaben dazu, wie die CO2-Neutralität erreicht wird. Und sie kritisiert, dass zur Kompensation der verursachten CO2-Emissionen unter anderem Emissionsgutschriften aus Waldschutzprojekten in Peru und Indonesien gekauft würden.Studie: Diese Unternehmen haben seit 2016 ihre Emissionen erhöht 19:10
Waldschutzprojekte seien in fast allen Fällen nicht zur Kompensation von CO2 geeignet, „da das Klimagas CO2 für viele Jahrhunderte in der Erdatmosphäre verbleibt, während die Projektbetreiber lediglich garantieren, dass die Bäume noch für einige Jahre bis Jahrzehnte erhalten bleiben“, erklärte die DUH. Das in den Bäumen gebundene CO2 könne danach freigesetzt werden.
Die DUH werde „konsequent gegen alle weiteren Unternehmen vorgehen, die fossile Produkte oder Dienstleistungen mittels ungeeigneter Kompensationsversprechen als klimaneutral bewerben“, kündigte Resch an. Industrie und Handel forderte er auf, „die Umwelt– und Klimaauswirkungen ihrer Produkte ehrlich zu verringern, die tatsächlichen Werte zu veröffentlichen, so dass ein Vergleich möglich ist, und auf jegliche Form von Greenwashing zu verzichten“.
Das Urteil des Hamburger Landgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Über eine etwaige Berufung hätte das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) zu entscheiden.
Tui Cruises führt Kunden mit Klimaversprechen in die Irre
Ebenfalls noch nicht rechtskräftig ist das Urteil zur Klimaklage der DUH gegen den Kreuzfahrtkonzern Tui Cruises. Es geht um die Formulierung „2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-zero)“, die nach Angaben des Landgerichtes in einer älteren Version der Website verwendet wurde. Die klimabezogene Formulierung sei irreführend, weil sie mehrdeutig sei, teilte ein Gerichtssprecher mit.
„Nach Ansicht des Landgerichts lasse sich die Aussage sowohl dahingehend verstehen, dass im Kreuzfahrtbetrieb im Jahr 2050 CO2-Emissionen vollständig vermieden werden als auch dahingehend, dass unter Zuhilfenahme von Kompensationsmaßnahmen eine ausgeglichene Bilanz erreicht werde.“Klimaklagen – was haben sie bisher gebracht? 17:08
An die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen im Bereich der umweltbezogenen Werbung seien strenge Anforderungen zu stellen, betonte das Gericht. Es bestehe ein „gesteigertes Aufklärungsbedürfnis“. Dem sei Tui Cruises mit einem auf der Internetseite unter der Formulierung dargestellten Maßnahmenbündel nicht gerecht geworden.
Kreuzfahrtriese kündigt mögliche Berufung an
„Die Grafik unseres Fahrplans zur Dekarbonisierung (Klimaschutz Roadmap), die Gegenstand des Verfahrens war, ist bereits seit mehr als einem halben Jahr entsprechend angepasst“, teilte ein Sprecher von Tui Cruises auf Anfrage mit. „Unabhängig vom heutigen Urteil werden wir weiterhin konsequent unsere „Nachhaltigkeitsstrategie 2030″ umsetzen und halten an unseren ehrgeizigen Klimazielen weiter fest.“ Das Unternehmen wolle prüfen, ob gegen das Urteil Berufung einlegt werde.
Der Bundesgeschäftsführer der DUH, Jürgen Resch, sagte, derlei Werbung sei in vielen Fällen unzulässig. „Das heutige Urteil gegen Tui Cruises ist richtungsweisend für die Überprüfung vieler Werbeaussagen, mit denen Unternehmen damit werben, in einigen Jahren besonders klimafreundlich sein zu wollen, obwohl sie es jetzt bei weitem nicht sind.“