Katzen sind in Deutschland extrem beliebt, fast 16 Millionen leben hierzulande. Die Psychologin Andrea Beetz erklärt, warum wir die Tiere so gern haben, wie sie unser Immunsystem stärken, die Konzentration fördern und warum Katzenvideos oft viral gehen.
Deutschland ist katzenvernarrt. Hier leben so viele Katzen wie in keinem anderen Land Europas. Wie erklären Sie sich, dass die Tiere bei uns so beliebt sind?
Eine Katze passt perfekt zu unserem flexiblen Lebensstil. Sie ist unabhängiger, man kann sie tagsüber auch allein lassen, sie verlangt nicht ganz so viel Zeit wie ein Hund. Die Menschen halten heute weniger Kleintiere wie Kaninchen oder Meerschweinchen, weil es da neue tierschutzrechtlichen Vorgaben gibt, die größere Gehege und mindestens zwei Artgenossen vorschreiben. Eine Katze ist da oft unkomplizierter. Immer mehr Katzenbesitzer nehmen sie inzwischen sogar mit in den Urlaub.
Sie forschen seit Jahren zu der Mensch-Tier-Beziehung. Gibt es Erkenntnisse darüber, was im Gehirn von Katzenliebhabern passiert?
Es gibt mehr Hundestudien als Studien über den Effekt von Katzen. Das liegt daran, dass man den Hund gut mit ins Labor nehmen kann und dem Besitzer Blut abnehmen kann, während er seinen Hund streichelt. Aus diesen Studien wissen wir, dass es beim Streicheln zu einer Oxytocin-Ausschüttung kommt. Ich würde davon ausgehen, dass der Effekt beim Streicheln einer Katze identisch ist, sofern der oder die Betreffende einen engen Bezug zu dem Tier hat. Es werden Endorphine, Neurotransmitter wie Dopamin ausgeschüttet, das Stresshormon Kortisol wird reduziert, der Blutdruck sinkt.
Interview Weltkatzentag Expertin
Erklärt das auch, warum Katzenvideos, egal ob auf Instagram oder TikTok, millionenfach geklickt werden und oft viral gehen?
Das Flauschige, Weiche und Tapsige der dort gezeigten Kätzchen und Katzen bedient vor allem das Kindchenschema in uns. Was wir „Oh wie süß!“ finden, ist für die Katze allerdings nicht immer so süß. Da werden Katzen in Vasen gesteckt, aus denen sie sich wieder rausquälen müssen, ihnen wird Kleidung übergestülpt, oder sie werden erschreckt. Aus tiermedizinischer Sicht findet man viel versteckte Tierquälerei in etlichen dieser Katzenvideos, das wurde auch kürzlich in einer Studie untersucht. Die Menschen meinen das nicht böse und denken nicht darüber nach, dass es für die Katze sehr kritisch sein kann.
Wie unterscheiden sich Katzen- und Hundemenschen?
Auch dazu gibt es interessante Erkenntnisse. Hundemenschen sind in der Regel etwas konservativer und etwas verlässlicher, manchmal sozial verbindlicher. Katzenmenschen gelten als kreativer, offener, unabhängiger und emotional labiler. Menschen, die sowohl Hunde und Katzen mögen, liegen hinsichtlich ihrer Persönlichkeitsmerkmale eher in der Mitte.
Was wissen wir über die sozialen Effekte von Katzen auf Menschen?
Viel wissen wir aus allgemeinen Heimtierstudien. Zum Beispiel, dass Kinder, die mit Tieren aufwachsen, empathischer, sozial kompetenter und beliebter sind als Kinder, die ohne Haustiere groß werden. Allerdings lässt sich nicht herausfinden, ob dieser Effekt eher an den Eltern liegt, die bereit sind, ein Haustier anzuschaffen, um diese Kompetenzen bei dem Kind zu fördern. Oder ob es eine direkte Auswirkung des Tieres ist, auf das man sich einstellen und um das man sich kümmern muss. Ich glaube, man kann es nicht trennen.
Machen uns Katzen gesünder?
Als Katzenallergikerin kann ich das persönlich nicht bejahen (lacht). Aber es gibt tatsächlich zahlreiche gut belegte Gesundheitseffekte von Haustieren, die natürlich auch für Katzen gelten. Wir wissen, dass Haustierhalter besser schlafen und weniger Medikamente gegen Schlafprobleme nehmen müssen. Katzenbesitzer haben bessere kardiovaskuläre Parameter, also einen niedrigeren Blutdruck und ein geringeres Risiko, an einem Herzinfarkt zu versterben. Hunde- und Katzenbesitzer haben ein Jahr nach einem Herzinfarkt höhere Überlebenschancen. Hinzu kommen die psychologischen Aspekte. Da ist ein soziales Gegenüber – jemand, um den ich mich kümmern muss, der sich freut, wenn ich heimkomme. Das führt zu positiven Hormonausschüttungen.
Gibt es auch Effekte auf das Immunsystem?
Davon können wir ausgehen. Eine Studie untersuchte Immunglobulin A im Speichel von Studenten, die einen Hund oder ein Kuscheltier streichelten. Nur das Streicheln des echten Hundes erhöhte Immunglobulin A, welches einen Indikator für den aktuellen Zustand des Immunsystems darstellt. Erklären lässt sich dies zum Teil ebenfalls mit der vermehrten Oxytocin-Ausschüttung bei Körperkontakt mit dem Tier. Oxytocin reduziert bekanntermaßen die Stresshormone. Alles, was Stress verringert, stärkt unser Immunsystem.
Stimmt es, dass sogar Schnurren heilsam ist?
Für die Tiere selbst stimmt das offenbar. Ihr Schnurren erzeugt eine Frequenz zwischen 20 und 150 Hertz, die das Heilen von Knochenbrüchen fördert, fand eine amerikanische Studie heraus. Die Schnurrfrequenzen entsprechen jenen, die auch in der humanen Reizstromtherapie bei der Behandlung von Frakturen, Schmerzen und Zerrungen verwendet werden. Ich weiß aber von keinem Beispiel, dass dies therapeutisch genutzt wird.
Katzen fläzen gerne auf Schreibtischen herum. Stört oder befördert dies konzentriertes Arbeiten?
Wahrscheinlich eher letzteres. Wir wissen aus Studien, dass die Anwesenheit eines Hundes bei Kindern zu besseren Leistungen in Konzentrations- und Aufmerksamkeitstests führt. Der präfrontale Cortex, der für diese Hirnleistungen zuständig ist, war besser durchblutet, die Kinder konnten sich für längere Zeit auf hohem Niveau konzentrieren. Es ist anzunehmen, dass eine Katze einen ähnlichen Effekt hat. Man ist ruhiger und fokussierter, wenn ein vertrautes Tier im Raum ist.
Katzen Gesundheitseffekte auf den Menschen 15.48
Was empfehlen Sie Menschen, die wie Sie unter einer Katzenallergie leiden?
Ich habe in zwei Haushalten mit Katzen gelebt, das geht, wenn man einige Dinge beachtet. Zum Beispiel die Katzen nicht ins Schlafzimmer lässt und sich nach jedem Kontakt die Hände wäscht. Inzwischen gibt es sogar ein Katzenfutter, das die Allergenbelastung des Speichels reduziert. Man reagiert ja auf die Proteine im Speichel allergisch, die im Fell verteilt sind, weil sich die Katze ständig putzt. Aber ich bin sowieso eher der Hundetyp.