Die möglichen Folgen der Kontaktverbote in der Corona-Zeit gerade für Kinder werden immer deutlicher. Die medizinischen Dienste registrieren einen sprunghaften Anstieg von Entwicklungsstörungen.
Nach der Corona-Pandemie ist NRW-weit die Zahl der Kinder mit Pflegebedarf wegen ADHS und Entwicklungsstörungen sprunghaft angestiegen. Das geht aus Berichten der Medizinischen Dienste (MD) Nordrhein und Westfalen-Lippe für die Jahre von 2019 bis 2023 hervor. „Wir können nur die Zahlen feststellen, aber der zeitliche Zusammenhang deutet darauf hin, dass es auch einen kausalen Zusammenhang mit Corona gibt“, sagte eine Sprecherin des MD Nordrhein.
Die „Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung“ war demnach im Rheinland 2019 bei Grundschulkindern (7-10 Jahre) rund 400-mal der Grund für eine Pflegebedürftigkeit. 2022, nach der Coronapandemie, wurden bereits 916 Fälle registriert, 2023 stieg die Zahl laut dem Report auf 1.328. Die Gesamtzahl tiefgreifender Entwicklungsstörungen, zu denen auch Autismus und das Asperger-Syndrom zählen, stieg in der Altersgruppe nach der Corona-Pandemie massiv an – von 764 Fällen 2019 auf 1.426 im Jahr 2022 und dann auf 1.911 im Jahr 2023.
Bei den Jugendlichen im Alter zwischen 11 und 17 Jahren zeigte sich der Trend noch deutlicher: 2019 sei rund 300-mal eine Pflegebedürftigkeit wegen ADHS diagnostiziert worden, fast 1.300-mal im Jahr 2023.
Ganz ähnliche Zahlen meldete der MD Westfalen: Hier gab es von 2019 bis 2023 bei Grundschulkindern einen Zuwachs um 122 Prozent bei den Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen. Bei Jugendlichen im Alter zwischen 11 und 17 wurde 2019 gut 300-mal ADHS als Pflegegrund diagnostiziert. 2023 waren es mehr als 1.200 Fälle.
Über alle Altersgruppen sei der Pflegebedarf stark gestiegen, heißt es in den Berichten: Die Zahl der Gutachten legte im Rheinland von 2019 bis 2023 um fast die Hälfte auf 395.000 zu. In Westfalen-Lippe gab es ein Wachstum um fast ein Drittel auf über 360.000 Begutachtungen.
Erwachsene würden im Schnitt eher pflegebedürftig als noch vier Jahre zuvor: Männer im vergangenen Jahr mit 72 (2019: 73), Frauen mit 73 (2019: 76). In Westfalen-Lippe lag das Durchschnittsalter der Antragsteller etwas höher – bei Männern bei 72,7 (2019: 72,9) Jahren, für Frauen verzeichnete die Statistik ein Durchschnittsalter von 74,6 (2019: 76,1) Jahren.
Angesichts des stark wachsenden Bedarfs appellierte der Medizinische Dienst Nordrhein an die Politik, ambulante Pflegeangebote besser zu fördern. Pflegebedürftige litten oft unter Vereinsamung und beklagten mangelnde Information zu den Unterstützungsangeboten der Pflegeversicherung.