Die deutschen Handballer trotzen der hitzigen Frankreich-Kulisse und werfen sich ins Olympia-Halbfinale. Der nächste Gegner ist ein alter Bekannter aus der Vorrunde. Für einen Star endet die Karriere.
Dramatischer Krimi mit Happy End: Deutschlands Handballer haben nach einer herausragenden Aufholjagd ihren Erfolgslauf bei den Olympischen Spielen fortgesetzt und sich mit einem Sieg über Europameister und Olympiasieger Frankreich in die Medaillenrunde gekämpft. Vor einer aufgeheizten Handball-Kulisse von rund 27.000 Fans untermauerte die Auswahl von Bundestrainer Alfred Gislason ihre Gold-Ambitionen und bezwang den Gastgeber in Lille mit 35:34 (29:29, 14:17) nach Verlängerung.
Zu Beginn der zweiten Halbzeit hatte das DHB-Team mit sechs Toren zurückgelegen. Auch kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit sah der EM-Vierte bei einem Tor Rückstand und Ballbesitz Frankreich schon wie der Verlierer aus, doch in letzter Sekunde gelang Renars Uscins noch der Ausgleich. Der Jungstar war mit 14 Toren bester deutscher Werfer.
Die Duelle bei der Heim-EM im Januar sowie der WM im Vorjahr hatte Deutschland jeweils verloren. Mit ihrem ersten Pflichtsieg gegen Frankreich seit 2013 revanchierte sich das deutsche Team auch im Namen der DHB-Frauen, die am Vortag gegen die Équipe Tricolore im Viertelfinale gescheitert waren.
Die erste Medaille für die deutschen Handballer bei einem großen Turnier seit Olympia-Bronze 2016 in Rio de Janeiro ist damit greifbar nah. Im Halbfinale am Freitag trifft die Mannschaft um Spielmacher Juri Knorr auf Spanien, das sich nach Verlängerung gegen Ägypten durchsetzen konnte. In der Vorrunde hatte das DHB-Team in einem hochumkämpften Spiel gegen die Südeuropäer 33:31 gewonnen und damit den Einzug in die K.o.-Phase vorzeitig perfekt gemacht.
Frankreichs Aus ist gleichbedeutend mit dem Karriereende des dreimaligen Welt-Handballers Nikola Karabatic. Der 40 Jahre alte Starspieler, der in seiner mit Trophäen dekorierten Karriere dreimal Olympia-Gold und vier Weltmeistertitel holte, hört endgültig auf.
Fußballkulisse mit Pfeifkonzert
Ein deutscher Sieg lag schon vor dem Anpfiff in der Luft. Das Selbstvertrauen war so groß wie lange nicht mehr. Auch, weil die Gislason-Auswahl erst im Juli ein Testspiel gegen Frankreich gewonnen hatte. Doch diesmal spielte das DHB-Team gegen eine ganze Nation. Die Stimmung im Fußballstadion des OSC Lille war noch einmal aufgeheizter als beim Duell der Frauen-Teams. Mit Pfeifkonzerten begleiteten die Fans viele deutsche Spielzüge.
Der deutschen Abwehr fehlte in der Anfangsphase die Präsenz. Weil zeitgleich Torhüter Andreas Wolff enttäuschte, kamen die Gastgeber immer wieder über den Kreis zu einfachen Treffern. In der Offensive trauten sich Spielmacher Knorr und Rückraum-Ass Uscins zwar viel zu, insgesamt fehlte es aber an Effizienz. Hinzu kam, dass Frankreichs Keeper Vincent Gerard alleine in der ersten Hälfte mehr als zehn Würfe parierte. Erst als David Späth für Wolff ins deutsche Tor kam, verbesserte sich auch beim DHB-Team die Torhüterleistung.
Frankreich-Profi mit Unsportlichkeit
Die hitzige Atmosphäre von den Rängen übertrug sich auch aufs Parkett. Frankreichs Startspieler Dika Mem hatte Glück, als er nach einer Unsportlichkeit gegen Uscins nur eine Zeitstrafe bekam. Als der Deutsche schon am Boden lag, drückte der Franzose ihn noch einmal runter.
Vor den Augen von IOC-Präsident Thomas Bach machte das DHB-Team nach der Pause einen Sechs-Tore-Rückstand (14:20) wett und verdiente sich den späten Ausgleich in letzter Sekunde. Auch in der Verlängerung blieb es dramatisch – mit dem besseren Ende für die deutsche Mannschaft.