Zwei Monate nach dem Angriff auf die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen hat am Dienstag in Kopenhagen der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter begonnen. Laut Anklageschrift wird dem 39-Jährigen Gewalt gegen einen Regierungsvertreter vorgeworfen, weil er Frederiksen bei dem Angriff auf einem Platz in Kopenhagen „mit der geschlossenen Faust auf die rechte Schulter“ geschlagen habe. Mit einem Urteil wird am Mittwoch gerechnet.
Der Mann, dessen Name in den Medien nicht genannt werden darf, wurde unmittelbar nach dem mutmaßlichen Angriff am 7. Juni festgenommen und in Untersuchungshaft genommen. Er streitet die Verantwortung für den Vorfall ab. Im Falle einer Verurteilung drohen dem 39-jährigen Polen eine Haftstrafe sowie die Ausweisung aus Dänemark.
Bei seiner Befragung vor Gericht sagte der Angeklagte am Dienstag, dass er sich zwar daran erinnere, der von ihm erkannten Regierungschefin gegenüber gestanden zu haben, jedoch nicht, handgreiflich gegen sie geworden zu sein. „Ich stehe der Frau Ministerpräsidentin gegenüber und kann mich an nichts mehr erinnern, bis ich festgenommen werde“, sagte er aus.
Seine Gedächtnislücken führte der Angeklagte auf vorherigen Alkoholkonsum und dessen Wirkung sowie auf seine Überraschung zurück, plötzlich der Ministerpräsidentin von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. Er fügte hinzu, dass er zudem einen „schlechten“ Tag gehabt habe. Auf die Gründe dafür ging er nicht ein.
Zuvor hatte bereits der Anwalt des Angeklagten der Nachrichtenagentur AFP gesagt, dass sich sein Mandant zwar an die Begegnung mit der Ministerpräsidentin in der Kopenhagener Innenstadt erinnern könne, nicht jedoch an das Geschehen, „weil er betrunken war“.
Neben seinem Angriff auf Frederiksen werden dem 39-Jährigen im Zusammenhang mit anderen Vorfällen auch unsittliche Entblößung und Betrug vorgeworfen. Staatsanwältin Line Steffensen hatte zuvor gegenüber Medien erklärt, dass der Verdächtige seit seinem Umzug nach Dänemark vor fünf Jahren mehrfach wegen Ladendiebstahls festgenommen worden sei.
Sonderstaatsanwalt Anders Larsson sagte der AFP, hinsichtlich des Angriffs auf Frederiksen lägen Beweise vor, die Aufschluss über den Vorfall geben würden. Dazu sollten demnach drei Zeugen befragt werden. Nach den Zeugenaussagen zu dem Angriff befasste sich das Gericht im weiteren Verlauf des Verhandlungstages mit den weiteren Anklagepunkten. Larsson wies am Ende des Tages darauf hin, dass dem Angeklagten bereits mehrere Geldstrafen wegen Diebstahls und Vandalismus auferlegt wurden.
Frederiksen wird weder von der Staatsanwaltschaft noch von der Verteidigung in dem Prozess als Zeugin aufgerufen. Dafür kamen am Dienstag die beiden Personenschützer der Regierungschefin zu Wort. Einer der befragten Leibwächter sagte aus, es seien viele Menschen auf der Straße gewesen, als sich der Beschuldigte Frederiksen genähert und „etwas Unverständliches“ zu ihr gesagt habe. „Als er an ihr vorbeigeht, versetzt er ihr einen harten Schlag mit seiner Faust auf die Schulter.“
Frederiksen ging es nach dem Angriff nach eigenen Worten „nicht gut“. Bei einer anschließenden Untersuchung wurden laut ihrem Büro eine „Prellung der rechten Schulter und ein leichtes Schleudertrauma“ festgestellt. Kurz nach dem Angriff sagte die 46-Jährige zudem in einem Interview, der Angriff habe nicht ihr persönlich gegolten, sondern „der Regierungschefin“. Erstmals in ihrem Leben habe sie nach dem Angriff psychologische Hilfe in Anspruch genommen.
Frederiksen steht seit fünf Jahren an der Spitze der dänischen Regierung. 2019 war sie zur jüngsten Ministerpräsidentin in der Geschichte des Landes gewählt worden. Bei der Wahl im November 2022 wurden ihre Sozialdemokraten erneut stärkste Kraft. Der Angriff auf die sozialdemokratische Politikerin war international scharf verurteilt worden.