Nach Massenprotesten in Bangladesch und der Flucht von Regierungschefin Scheich Hasina hat sich der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus zur Führung einer Übergangsregierung bereiterklärt. „Wenn in Bangladesch Handlung gefordert ist, für mein Land und für den Mut meines Volkes, dann werde ich handeln“, sagte der 84-Jährige am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Zuvor hatten die Anführer der Studentenproteste Yunus als Chef der Übergangsregierung ins Spiel gebracht.
„Die Übergangsregierung ist nur der Anfang. Wirkliche Befriedung kann es nur mit freien Wahlen geben. Ohne Wahlen gibt es keinen Wandel“, sagte Yunus, der in den 1980er Jahren mit der Vergabe von Mikrokrediten Millionen von Menschen in dem südasiatischen Land aus der Armut geholfen hatte. 2006 wurde dem Wirtschaftswissenschaftler dafür der Friedensnobelpreis verliehen.
„Wir vertrauen Dr. Yunus“, erklärte einer der Anführer der Bewegung Studenten gegen Diskriminierung (SAD), Asif Mahmud, im Onlinedienst Facebook. Unterdessen löste der Präsident des Landes am Dienstag das Parlament auf, zudem kam die Oppositionsführerin und ehemalige Regierungschefin Khaleda Zia aus dem Hausarrest frei.
Die seit 15 Jahren herrschende Hasina war am Montag nach wochenlangen und teils gewaltsamen Massenprotesten aus Bangladesch geflohen. Zuvor hatten Demonstranten unter anderem ihren Amtssitz gestürmt und Fernsehstationen in Brand gesetzt. Armeechef Waker-Uz-Zaman kündigte die Bildung einer Übergangsregierung an. „Es ist Zeit, der Gewalt ein Ende zu setzen“, betonte er.
Mit mindestens 122 Toten war der Montag der blutigste Tag der seit Anfang Juli andauernden Proteste. Diese richteten sich zunächst gegen eine Quotenregelung für die Vergabe von Jobs im öffentlichen Dienst. Nach und nach wurde allerdings der Rücktritt der seit 2009 amtierenden Regierungschefin das Ziel der Protestbewegung, der sich Millionen von Menschen aller Bevölkerungsschichten anschlossen.
Dabei kam es immer wieder zu Gewalt zwischen Anhängern und Gegnern der Regierung. Zudem schossen Sicherheitskräfte mit Gewehren in die Menge. Nach AFP vorliegenden Zahlen wurden insgesamt mindestens 413 Menschen getötet.
Am Dienstag blieb es in den Straßen der Hauptstadt Dhaka weitgehend ruhig. Zahlreiche Geschäfte öffneten wieder, am Flughafen wurde der internationale Flugverkehr wieder aufgenommen. Vor einem Gebäude des Militärgeheimdienstes warteten Mütter von einigen der vielen hundert politischen Gefangenen, die unter Hasina heimlich inhaftiert worden waren.
Augenzeugen zufolge waren bei den Ausschreitungen auch Geschäfte und Häuser von Hindus angegriffen worden – eine Bevölkerungsgruppe, die nach Ansicht vieler in dem mehrheitlich muslimisch geprägten Land Regierungschefin Hasina nahestehen soll. Über die mutmaßlichen Angriffe gegen religiöse und ethnische Minderheiten äußerten sich Menschenrechtsgruppen aus Bangladesch sowie Diplomaten der USA und der Europäischen Union besorgt.
Das US-Außenministerium wies angesichts der instabilen politischen Lage in Bangladesch nicht unbedingt benötigte Diplomaten und Botschaftsmitarbeiter sowie deren Familienmitglieder an, das Land zu verlassen. Bereits im vergangenen Monat waren Reisewarnungen für Bangladesch ausgesprochen worden.
Mitglieder der wichtigsten Polizeigewerkschaften in Bangladesch riefen unterdessen zu einem Streik auf, „bis die Sicherheit aller Mitglieder der Polizei gewährleistet ist“.
Die Nachbarländer Indien und China – wichtige regionale Verbündete – mahnten eine Beruhigung der Lage an. Das Außenministerium in Peking erklärte, das Land hoffe, dass die „soziale Stabilität in Bangladesch bald wiederhergestellt“ werden könne. Der indische Außenminister S. Jaishankar sagte, er sei „tief besorgt“, bis Recht und Ordnung wiederhergestellt seien. Weiter bestätigte er, dass Hasina nach Indien geflohen sei.
Die 76-jährige Hasina war im Januar in einer umstrittenen Wahl im Amt bestätigt worden. Ihrer Regierung wurden unter anderem der Missbrauch staatlicher Institutionen zum eigenen Machterhalt und die Unterdrückung von Regierungskritikern vorgeworfen – bis hin zur außergerichtlichen Tötung Oppositioneller.