Eine Untersuchung des DIW zeigt, welche wirtschaftlichen Lebensverhältnisse die Wahl von AfD und BSW begünstigt und worin sich dabei deren Wähler unterscheiden.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) der ehemaligen Linken-Abgeordneten ist kein Jahr alt und erreichte bei der Europawahl aus dem Stand 6,2 Prozent, die in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestufte Alternative für Deutschland (AfD) bundesweit 15,9 Prozent. Damit überholt sie sogar die Kanzlerpartei SPD (13,9 Prozent).
Die AfD dominierte besonders im Osten Deutschlands. Eine Untersuchung des arbeitnehmernahen Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt, dass populistische Parteien vorrangig dort Erfolg haben, wo negative Strukturmerkmale zu finden sind.
Einkommen und Jugendarbeitslosigkeit
Dazu zählen beispielsweise ein geringeres Einkommen und eine hohe Jugendarbeitslosigkeit. Aktuelle Zahlen zeigen, dass vier der insgesamt fünf Kreise, in denen die Jugendarbeitslosigkeit den Wert von zehn Prozent übersteigt, in Ostdeutschland liegen (Uckermark, Mansfeld-Südharz, Dessau-Roßlau und Vorpommern-Rügen). In all diesen Landkreisen gewann die AfD mit Werten bis zu 36 Prozent, das BSW erreichte einen Stimmenanteil von mindestens 15 Prozent.
Auch das verfügbare Haushaltseinkommen ist laut der Studie ein relevantes Kriterium, wenn es um den Wahlerfolg populistischer Parteien geht. Je niedriger es ist, desto eher wählen Menschen AfD oder BSW. Zwar weist mit Gelsenkirchen eine westdeutsche Stadt den Wert mit dem geringsten Durchschnittseinkommen (18.886 Euro) auf. Insgesamt verfügen allerdings die Haushalte im Osten Deutschlands über deutlich weniger Pro-Kopf-Einkommen als im Westen. Das liegt unter anderem an Lohnunterschieden, die auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch groß sind. Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass die Schere weiter breit ist und Vollzeitbeschäftigte in Ostdeutschland brutto durchschnittlich 824 Euro weniger erhalten als in Westdeutschland.
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Migration und Demografie
Überraschend ist, dass das Thema Migration zwar eine Rolle für die Wahl einer Partei spielt, im Vergleich zu den wirtschaftlichen Faktoren Arbeitslosigkeit und Einkommen aber weniger stark: „Unsere Analyse zeigt, dass Migration als Erklärung für die Stärke von AfD und BSW bei der Europawahl 2024 viel zu kurz greift. Die Demografie – dort, wo viele junge, gut ausgebildete Menschen abwandern – ist vor allem für Ostdeutschland ein deutlich wichtigerer Faktor für die unterschiedlichen Ergebnisse in den Kreisen“, so DIW-Präsident Marcel Fratzscher.
Zwar wird die Bevölkerung in ganz Deutschland älter, im Osten Deutschlands sind die Zahlen aber besonders hoch. Im Landkreis Zeitz beispielsweise sind 41 Prozent der Bewohner mindestens 60 Jahre alt.
Unterschiede in Ost und West, AfD und BSW
Insgesamt zeigt sich, dass im Osten BSW und AfD besonders dort erfolgreich sind, wo der Altersdurchschnitt hoch und die Bildung niedrig ist. Im Westen erreichen sie zusätzlich hohe Werte in Regionen mit geringem Einkommensniveau und vielen Beschäftigten in der Industrie, deren Jobs von Automatisierung bedroht werden.
Wenngleich ähnliche Faktoren das Wahlergebnis von BSW und AfD beeinflussen, so zeigt sich, dass sie nicht immer gleichermaßen erfolgreich sind. Dort, wo die Strukturmerkmale besonders negativ sind, tendiert das Wahlergebnis eher zur AfD als zum BSW.
Investitionen in diese Regionen können laut den Autoren helfen, die Faktoren abzuschwächen, die zum Wahlerfolg beider Parteien führen. Ein Beispiel ist die Chipfabrik von Intel, die in Magdeburg entstehen soll.