Timurs Fluch: Tamerlan der Zerstörer – wie ein Despot aus dem 15. Jahrhundert Stalin half, den Krieg zu gewinnen

Tamerlan war der Schrecken der Welt, der größte Zerstörer der Geschichte. Der Legende nach führte sein Fluch fast zum Untergang der UdSSR – doch Stalin konnte den Geist des Schrecklichen versöhnen.

Tamerlan – oder auch Timur der Hinkende – ist in Westeuropa weniger bekannt als Dschingis Khan oder Attila der Hunne. Doch gegen den zentralasiatischen Despoten wirken sie wie Waisenkinder. Tamerlan war der Schrecken der Welt. Hunderte von Jahren ruhte er in seinem Grab in Samarkand, zu groß war die Furcht vor der Rache des Gewaltigen. Hatte er doch jeden verflucht, der sein Grab öffnen würde. Auf dem Grab stand: „Wenn ich von den Toten auferstehe, wird die Welt erzittern.“

Tamerlan war ein Mann von großer Grausamkeit. Seinen Kriegen sind fünf Prozent der damaligen Weltbevölkerung zum Opfer gefallen, 17 Millionen Menschen. Als Teenager hatte er zwei Finger verloren und eine Verletzung am Bein führten dazu, dass er hinkte. Als er 1401 aus Bagdad abziehen wollte, wurde er als Krüppel verspottet. Tamerlan kehrte zurück und befahl jedem seiner Soldaten, ihm mindestens zwei Köpfe zu bringen. Wer versagte, sollte seinen eigenen Kopf verlieren. Seine Männer versorgten ihn mit Köpfen für 120 Schädelpyramiden.FS Black Prince

Ein Reich der Verwüstung

Von Dehli ließ er nur Trümmer ohne Einwohner, 100 Jahre brauchte die Stadt, um sich zu erholen. Damals galten die Osmanen als unbesiegbar. Der Sultan Bayezid machte sich über Tamerlan lustig, der fiel über die Osmanen her, seine Truppenbewegungen manövrierte den Sultan aus und seine Männer metzelten die Janitscharen nieder. Bayezid wurde als Beute in Tamerlans Hauptstadt Samarkand geschafft. Dort diente er Tamerlan als Fußschemel, um auf das Pferd zu steigen. Bei Gelagen wurde er in einem eisernen Käfig vorgeführt, während seine Frau die Gäste nackt bedienen musste.

Smyrna, die unbesiegbare Festung der Ritter von Rhodos, nahm Tamerlan in nur 15 Tagen ein. Die ankommenden Schiffe mit Nachschub ließ er mit den Köpfen ihrer Kameraden beschießen. Die Stadt Istafan lehnte sich gegen seine Steuereintreiber auf. Tamerlan befahl, jeden einzelnen Einwohner zu töten. Die Kinder wurden vor die Tore der Stadt gebracht, wo seine Reiter sie zu Tode trampelten, während die Mütter zusehen mussten. Tamerlan selbst begann mit dem Massaker. Aus den Schädeln errichtete er mehr als 28 Türme mit jeweils etwa 1500 Köpfen. Timur entvölkerte die Welt, er selbst starb an einer Erkältung.Nachthexen 17.00

Öffnung des Grabes

Von Flüchen und anderem Aberglauben wollten sich die Forscher der Sowjetunion nicht beirren lassen. Im Juni 1941 begannen Tashmuhammed Kari-Niyazov und Mikhail Gerasimov mit den Arbeiten im Grabmal. Muslimische Geistliche und die Anwohner versuchten die Grabungen zu stoppen, vergeblich. Die Forscher fingen an die Gräber zu öffnen. Auch eine weitere Inschrift konnte sie nicht aufhalten. Sie drohte: „Wer auch immer mein Grab stört, wird einen Eindringling entfesseln, der schrecklicher ist als ich.“ Die Forscher wollten beweisen, dass die Gräber tatsächlich die Reste von Tamerlans Dynastie beherbergten. Die Ausgrabungen begannen am 16. Juni. Zuerst wurden die Gräber der Söhne des Herrschers Ulugbek, dem Enkel von Timur, geöffnet, dann die von Timurs Söhnen: Miranshah und Shahrukh. Am 18. Juni entdeckten sie die Überreste von Ulugbek selbst.  Am 19. Juni schließlich wurde der Grabstein vom dem Grab Tamerlans entfernt, am 20. Juni das Grab geöffnet. Aus dem Grab strömte der Duft der Öle, die zur Einbalsamierung verwandt wurden. Die Forscher wurden nicht vom Blitz getroffen, nichts geschah.

Hitler überfällt die UdSSR

Doch zwei Tage später erbebte die Welt. Ohne Kriegserklärung überfiel Nazi-Deutschland die Sowjetunion. In Zentralasien verbanden viele den Fluch mit dem Überfall. Die Expedition wurde abgebrochen, die Überreste nach Moskau gebracht. Der Krieg brachte die Sowjetunion an den Rand des Zusammenbruchs. Die Wende leitete die Operation Uranus ein – die Offensive der Roten Armee, die die deutsche Sechste Armee in Stalingrad einkesselte und vernichtete.

Und auch dieses Ereignis hängt mit Tamerlan zusammen. Kurz zuvor hatte Stalin befohlen, die Überreste der Dynastie zurückzubringen und in allen Ehren zu bestatten – zuvor sollen sie von einem Flugzeug über die Front bei Stalingrad gebracht worden sein. Kaum ruhte der Schrecken der Welt wieder in der Erde, wendete sich das Kriegsglück. Der Fluch war von der Sowjetunion genommen.Hitler gefangen19h

Stalins Kalkül

Natürlich sind beide Ereignisse zufällige Zusammentreffen. Zumindest die Ausgrabung. Die ehrenvolle Beisetzung entsprach Stalins Kalkül. Vor dem Krieg bekämpfte der „Eiserne“ die Religionen in seinem Reich mit aller Härte, doch schon in der Schlacht um Moskau 1941 nutzte Stalin jeden Trick, um sich die religiösen Gefühle seiner Soldaten zunutze zu machen. Als das Schicksal der Stadt auf Messers Scheide stand und die Regierungsbehörden bereits evakuiert waren, beschwörte Stalin eine alte Legende. Er ließ heilige Ikonen um die Hauptstadt herumfliegen, damit sie die Stadt vor den Deutschen schützen. Der Fluch von Tamerlan beunruhigte seine asiatischen Kämpfer, die im Laufe des Krieges immer wichtiger wurden. Sie wurden von Zuversicht erfüllt, als Timur wieder in Samarkand ruhte.