Die Münchner hatten sich einen erfahrenen Trainer gewünscht, holen aber Vincent Kompany, der den Job erst seit vier Jahren macht. Dabei ist der Verein noch erschöpft von der Ära Nagelsmann.
Wenn Vincent Kompany in diesen Tagen nach München reist, um einen Vertrag als Cheftrainer des FC Bayern zu unterschreiben, wird ihm ein Satz schon vorausgeeilt sein. Gesagt hat ihn Max Eberl am letzten Bundesligaspieltag, als er gefragt wurde, ob es denn endlich Fortschritte gebe bei der Suche nach einem neuen Trainer. Eine lästige Frage, zumal der Sportvorstand nebenbei noch eine andere Krise zu moderieren hatte, das 2:4 gegen Hoffenheim nämlich, das den Absturz auf den dritten Platz bedeutete. Eine Tabellenregion, die die Bayern bislang nur aus Erzählungen kannten. Eberl jedenfalls antwortete auf die Trainerfrage: „Das Beste kommt zum Schluss.“
Eine Phrase, der Versuch, ein unliebsames Thema zu ersticken. Doch zu welchem Preis? „Das Beste kommt zum Schluss“, mit diesem Satz hat Eberl die Amtszeit von Vincent Kompany tonnenschwer belastet, noch bevor sie begonnen hat. Dieser junge Trainer, der seinen Job erst seit vier Jahren macht und jüngst mit dem FC Burnley aus der Premier League abgestiegen ist, – dieser Vincent Kompany soll tatsächlich der beste Coach für den großen FC Bayern sein?
Schwere Hypothek für Vincent Kompany
Eberls Satz hat den Maßstab definiert, mit dem künftig jede Trainingseinheit und jedes Spiel von Kompany vermessen wird. Diese Hypothek wird er durch seine drei Bayern-Jahre schleppen – falls er überhaupt bis zum Ende der Vertragslaufzeit bleiben darf.
Kompany, 39, aufgewachsen in Anderlecht, elf Jahre Abwehrchef von Manchester City, ist selbst in den Augen von Eberl nicht der ideale Trainer für den FC Bayern. Das weiß jeder in der Branche, denn die Suche nach einem Übungsleiter lief halböffentlich ab, ständig wurde durchgestochen, mit welchem Kandidaten Eberl gerade verhandelte: Xabi Alonso, Ralf Rangnick, Oliver Glasner, Roger Schmidt, selbst eine Verlängerung mit Thomas Tuchel wurde versucht. Eberl handelte sich nur Absagen ein.
Als einer der Letzten auf Eberls Liste stand Vincent Kompany. Das sagt nichts über seine fachlichen Qualitäten aus – verrät aber, dass die Bayern einen Trainertyp wie ihn eigentlich nicht mehr wollen. Zu erschöpft ist der Verein noch von den knapp zwei Jahren unter Julian Nagelsmann. Auch er ein junger, begabter Trainer, reputierter sogar als Kompany heute, und doch dem FC Bayern mit seinen komplizierten Machtgefüge nicht gewachsen. Die damaligen Verantwortlichen Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic kümmerten sich wenig um ihn, auch aus dem mächtigen Aufsichtsrat um Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge kam keine Hilfe. Man war der Ansicht: Wer bei uns Trainer ist, weiß für jedes Problem eine Lösung. Ebendiese Fähigkeit würde ihn ja zu einem Bayern-Trainer machen.
Sehnsucht nach den alten Meistern
In Teilen des Aufsichtsrats sehnt sich man noch heute in vergangene Zeiten zurück, als Grandseigneure wie Jupp Heynckes, Pep Guardiola oder Carlo Ancelotti die Profimannschaft betreuten. Das waren Trainer, die das Rundum-Sorglos-Paket boten: Sie trieben die Mannschaft zu Höchstleistungen und moderierten zugleich mit Feingefühl das Innenleben der Bayern-Kabine. Ihre Worte fanden Gehör, niemand zweifelte ihre Autorität an, denn die fußte auf beeindruckenden Lebensleistungen.
All dies kann Vincent Kompany nicht vorweisen. Eberl weiß das und wird in den nächsten Wochen versuchen, Kompany als einen der begabtesten Trainer des Weltfußballs zu verkaufen. Als den Xabi Alonso von übermorgen.
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Ob das Kompany helfen wird und den Erwartungsdruck ein wenig mindert? Wohl kaum. Eberl wird Kompany in Schwächephasen nur schwer gegen Kritik verteidigen können, denn er selbst ist angezählt beim FC Bayern. Eberl hat dem Klub zwar einen Trainer gebracht nach wochenlangem Suchen – aber nicht jenen, den man sich gewünscht hatte. Der FC Bayern ist nie ein Ausbildungsverein gewesen, weder für Spieler noch für Trainer. Jetzt hat Eberl ihn, aus der Not heraus, zu einem solchen gemacht.
Vincent Kompany – der Xabi Alonso von übermorgen?
Eberl kann nur hoffen, dass Kompany eine solide Saison abliefert, was bedeutet, dass er mindestens den deutschen Meistertitel holt und das Viertelfinale der Champions League übersteht. Dann könnte er nach einem Trainer schauen, der dem klassischen Bayern-Profil entspricht. Mit dem Scouting muss Eberl nicht mehr lange warten, denn im nächsten Sommer kommen so viele Spitzentrainer auf den Markt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Pep Guardiola hat schon angedeutet, Manchester City verlassen zu wollen, Leverkusens Xabi Alonso wird versuchen, sich auf einer größeren Bühne zu beweisen, und dann ist da noch Jürgen Klopp, der aus dem Sabbatical zurückerwartet wird.
Alles Trainer, die dem Anforderungskatalog der Bayern entsprechen würden. Ob Eberl selbst die Vertragsgespräche wird führen können, ist offen. Sein berufliches Schicksal ist eng an das von Vincent Kompany geknüpft. Jenem Mann, der ab dem ersten Tag in München wird beweisen müssen, dass das Beste tatsächlich zum Schluss kommt.