Auch das ist Olympia: Unterwegs mit „Pin Man“ Yorick Spieker, Souvenir-Jäger aus Leidenschaft.
Vor dem Eingang zum Olympischen Dorf in Saint-Denis geht es zu wie auf einem Schmuck-Bazar: Zwischen Absperrgittern und Straßenrand liegt das Revier der Pin-Sammler. Auf dem Gehweg haben sie ihre Schätze ausgebreitet, Matten und Mappen voller Anstecknadeln. Winzige Flaggen, Logos, Abzeichen – Souvenirs von Spielen aus aller Welt.
Yorick Spieker, Verkaufsleiter aus Düsseldorf, ist vor zwei Tagen angereist. Er trägt einen selbstgebastelten Ausweis um den Hals, „Pin Man“ steht drauf, so nennt er sich. „Das ist natürlich ein Witz“, sagt Spieker. „Aber es sorgt für Aufmerksamkeit. Die Leute gucken sofort her, das ist schon mal wichtig.“ Die Stoffbänder an den Olympia-Akkreditierungen sind gewissermaßen die Orden, an denen die Pin-Sammler ihre begehrten Stücke stolz vor der Brust tragen. Worum geht es sonst noch in diesem speziellen Universum? Spieker will es gerade erklären, aber: „Oh! Da kommt Kap Verde. Muss ich hin.“
Die kleinsten Länder sind die Souvenir-Stars bei Olympia
Sobald Athleten oder Team-Mitglieder das Dorf verlassen, werden sie von den Sammlern angesprochen: „Do you have pins?“ In der Welt der olympischen Souvenirs herrscht ausgleichende Gerechtigkeit, denn hier gilt: Die kleinsten Länder haben die wenigstens Anstecknadeln – darum sind sie die größten Stars. Zwischen Daumen und Zeigefinger zeigt Spieker eines seiner Lieblingsstücke. Eine Kokos-Palme, oben ein schwarzer Stern, unten die olympischen Ringe. „Das ist von São Tomé. Die haben dieses Jahr nur drei Athleten.“ In Szene-Kreisen bedeutet das: Es gibt geschätzt 150 bis 300 Pins. Nicht alle Teams sind gleich bestückt.
Zwei neue Stücke für die Sammlung – doppelte Pins werden getauscht
© Cyril Marcilhacy/stern
Ein junger Mann mit Schlapphut aus Kentucky tauscht bei Spieker ein Abzeichen aus der Schweiz gegen ein irisches Kleeblatt, nach dem er schon lange sucht: „Mein Sohn ist am St. Patricks-Tag geboren. Dieses Stück hat eine besondere Bedeutung für mich.“ Auch Spieker ist ganz gerührt, dem Amerikaner eine Freude machen zu können. „Das ist diese Emotionalität!“, ruft er, „darum geht’s!“ Rasch läuft er dann zu einer Gruppe Herren in roten Trainingsanzügen rüber: „Hallo Mauritius! Ihr fehlt mir noch! Von euch habe ich nichts!“
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Für den Pin-Sammler zählt der menschliche Kontakt
Man müsse schnell sein, sagt Spieker, die Augen überall haben. Die Pins sind klein, die Sammler zahlreich. Für den Düsseldorfer gilt es nur, wenn die Anstecknadeln im persönlichen Gespräch getauscht werden. Für Händler hat er nicht viel übrig. „Kaufen kann jeder. Aber wertvoll wird ein Pin erst, wenn man sich mit ihm später an den Moment erinnert. An die menschliche Begegnung.“ Auf Plattformen wie Ebay würden einzelne Olympia-Nadeln für mehrere Hundert Euro angeboten, sagt Spieker. „Um viel Geld geht’s bei der Sache jedoch insgesamt nie.“
Offiziell ist der Verkauf ohnehin verboten. Die Polizisten haben anfangs streng hingeschaut – inzwischen kommen sie selber zum Düsseldorfer und tauschen, Paris 2024 mit Eiffelturm gegen Seoul 1988 mit Maskottchen. Spieker läuft schon wieder weg und dann zurück. „Das war jetzt gerade richtig großartig!“, sagt er atemlos. Die Herren aus der Delegation von Mauritius haben ihm doch noch ein Stück überreicht, das er noch nie gesehen hat. „Für mich ist das ein Sechser im Lotto.“
Beim Tauschen zählt der persönliche Kontakt – sogar die Pariser Polizei macht inzwischen mit
© Cyril Marcilhacy/stern
Olympische Pins gibt es seit dem Beginn der modernen Spiele in Athen 1896 – damals waren die kleinen Anstecker mit Stoff überzogen. Ebenso lange werden sie voller Hingabe gesammelt und getauscht. Für Yorick Spieker hat alles 1992 mit Barcelona angefangen, erzählt er. „Seitdem bin ich angefixt.“ Dazwischen liegen die Kinder, die Familie, das Haus. „Ich bin keiner, der zu allen Olympischen Spielen quer über den Planeten fährt, das ist nicht drin. Aber jetzt, Paris: Ehrensache.“ Sein allererster Pin stammt übrigens aus Taiwan, ein Geschenk. „Den behalte ich für immer.“