Für einige war er ein „Symbol des Widerstands“, für die meisten ein Terrorist. Nun ist der Hamas-Anführer Ismail Hanija in Teheran von einer Rakete getötet worden. Wie reagiert der Nahe Osten?
Im April starben drei seiner Söhne und drei Enkelkinder bei einem israelischen Luftschlag im Gazastreifen. Ismael Hanija kommentierte den Verlust kühl: Sie seien für den Kampf gegen Israel als „Märtyrer Palästinas“ gestorben. Jetzt, vier Monate später, macht auf einschlägigen Telegram-Kanälen ein Zitat Hanijas die Runde: Die Verantwortung für die palästinensische Sache wiege schwer. Aber er sei bereit, sie zu übernehmen, als „Märtyrer Palästinas“.
Rakete traf um 2 Uhr nachts
Der selbstglorifizierende Interview-Auszug kursiert natürlich nicht anlasslos durchs Netz. Denn offenbar wurde Ismael Hanija, Chef des Hamas-Politbüros, durch einen Luftangriff in Teheran getötet. Laut einer saudi-arabischen Zeitung sei eine Lenkrakete um 2 Uhr nachts Ortszeit in dem Haus eingeschlagen, in dem sich der Terrorchef befunden habe – eine Residenz für Kriegsveteranen.
Ismael Hanija ist das bislang höchstrangige Hamas-Mitglied, der seit den Terrorangriffen vom 7. Oktober ums Leben getötet wurde. Israel hatte ausdrücklich angekündigt, ihn und andere Anführer ausschalten zu wollen. Der 62-Jährige wurde im Gazastreifen geboren und gewann dort als Hamas-Spitzenkandidat 2006 die letzte Wahl. Die vergangenen Jahre lebte Hanija luxuriös in Katar. Berichten zufolge verfügt er über ein Milliarden-Vermögen.
Hamas-Anführer Hanija war für Amtseinführung im Iran
In Teheran hatte der Hamas-Anführer der Amtseinführung des iranischen Präsidenten Massud Peseschkian teilgenommen. Mit ihm waren 85 anderen Gäste aus dem Ausland eingeladen.
Wer hinter der Attacke steckt, ist noch unklar, aber alles deutet auf Israel hin – aus Tel Aviv hat sich bislang noch niemand zu seinem Tod geäußert.
Die ersten Reaktionen aus den Nahen und Mittleren Osten fallen scharf aus:
DerIran verurteilt den Anschlag auf das Schärfste: „Das reine Blut des heiligen und ehrenhaften Kriegers Ismail Hanija ist zweifellos nicht umsonst geflossen“, sagte Außenamtssprecher Nasser Kanaani. Der iranische Präsident Massud Peseschkian sagte, der Iran werde dafür sorgen, dass „die terroristischen Besatzer ihre feige Tat“ bereuten. Israel wird im Iran auch als Besatzer palästinensischen Gebiets bezeichnet.Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas, der im Westjordanland das Sagen hat, verurteilt die Tötung des Hamas-Führers Ismail Hanijas in Teheran. Das meldet die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa. Die Fraktionen in dem Palästinensergebiet rufen zum Generalstreik und zu Massendemonstrationen auf.Hanija „war einer der großen Widerstandskämpfer unserer Zeit, der sich mutig gegen US-Vorherrschaft und zionistische Besatzung wehrte“, teilt die Hisbollah im Libanon mit. Er sei bereit gewesen, für die Sache zu sterben, an die er glaubte. Durch seinen Tod würden „Widerstandskämpfer an allen Schauplätzen“ noch entschlossener kämpfen und „ihren Willen stärken, dem zionistischen Feind gegenüberzutreten“.Die mit dem Iran verbündete Huthi-Miliz im Jemen nennt den Anschlag ein „abscheuliches terroristisches Verbrechen“, so Mohammed Ali al-Huthi, Mitglied des Politbüros auf dem Onlinedienst X. Seit November greifen die Huthis immer wieder Handelsschiffe im Roten Meer und im Golf von Aden mit angeblichem Bezug zu Israel an.Die Türkei wirft Israel vor, den Gaza-Krieg in der Region ausweiten zu wollen. Es habe sich erneut gezeigt, dass die Regierung von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu keine Absicht habe, den Frieden zu erreichen, teilte das türkische Außenministerium mit.Die USA würden nach den Worten von Verteidigungsminister Lloyd Austin ihren Verbündeten Israel im Falle eines Angriffs verteidigen. Mit Blick auf die zunehmenden Spannungen im Nahen Osten sagt Austin bei einem Besuch auf den Philippinen, er halte einen größeren Krieg in der Region nicht für unvermeidlich.
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Was als nächstes passieren wird, ist noch nicht absehbar. In Teheran trifft sich der Nationale Sicherheitsrat, vermutlich wird über das weitere Vorgehen und mögliche Reaktionen beraten. Unklar ist auch, wie sich der Tod Hanijas auf die Waffenstillstandsgespräche zwischen Israel und der Hamas, sowie die auswirken wird, für die er zuständig war.
Hisbollah-Kommandeur stirbt in Beirut
Nur wenige Stunden vor dem Anschlag auf Ismael Hanija, war im Libanon der hochrangige Kommandeur der Hisbollah, Fuad Schukr, durch einen israelischen Luftschlag ums Leben gekommen. Die Terroristen-Miliz hatte vor einigen Tagen einen Fußballplatz auf den von Israel besetzten Golanhöhen mit einer Rakete attackiert und dabei zwölf Kinder ermordet.
Quellen: DPA, AFP, Reuters