Ein Gericht in Großbritannien hat den islamistischen Prediger Anjem Choudary zu 28 Jahren Haft verurteilt. Das Mindeststrafmaß für den 57-Jährigen belaufe sich auf 28 Jahre, da er „an vorderster Front an der Führung einer terroristischen Organisation“ beteiligt gewesen sei, urteilte der zuständige Richter Mark Wall am Dienstag am Londoner Woolwich Crown Court. Er begründete die lange Haftstrafe damit, dass Choudary „junge Männer zu radikalen Aktivitäten ermutigt“ habe.
Zuvor war der radikalislamische Prediger bereits wegen der „Führung einer terroristischen Organisation“ verurteilt worden. In dem vor einer Woche ergangenen Urteil hieß es, Choudary habe zwischenzeitlich die Al-Muhadschirun-Gruppe (ALM) angeführt, die für mehrere Anschläge in Großbritannien verantwortlich gemacht wird.
Aufgrund der bereits abgesessenen Haftzeit wird Choudary insgesamt mehr als 26 Jahre hinter Gittern verbringen. Demnach kommt er nicht vor seinem 85. Lebensjahr frei. Zudem wurden neben Choudary am Dienstag ein weiterer Angeklagter wegen der Mitgliedschaft bei ALM zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.
Polizeivertreter bezeichneten das Urteil gegen Choudary, der einer der bekanntesten Vertreter der als „Londonistan“ bekannten Islamistenszene in der britischen Hauptstadt ist, als „historisch“. Der 57-Jährige sei ein „schamloser, umtriebiger Radikalisierer“, sagte Rebecca Weiner von der New Yorker Polizei (NYPD) vor Journalisten. Normalerweise werde „das Fußvolk vor Gericht gebracht – die Personen, die in das Netzwerk eingeschleust werden und dann die Anschläge verüben“, sagte sie. „Es ist selten der Anführer, und deshalb ist dies ein besonders wichtiger Moment.“
Choudary stand schon seit langem im Visier der Behörden. Er war bereits 2016 wegen Unterstützungsaufrufen für die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zu einer Haftstrafe verurteilt worden. 2018 kam er vorzeitig frei. 2023 wurde er erneut verhaftet. Die neue Anklage erfolgte nach gemeinsamen Ermittlungen der Londoner Metropolitan Police, des New York Police Department (NYPD) und der Royal Canadian Mounted Police.
Die ALM-Gruppe war 1996 von dem in London lebenden syrischen Geistlichen Omar Bakri Muhammad mit dem Ziel der Errichtung eines islamischen Kalifats in Großbritannien gegründet worden. 2010 wurde sie verboten. ALM wird für den Mord an dem britischen Soldaten Lee Rigby 2013 und Angriffe auf die London Bridge von 2017 und 2019 verantwortlich gemacht.
Trotz der Behauptung, die Gruppe sei aufgelöst worden, besteht die ALM nach Angaben der Staatsanwaltschaft unter verschiedenen Namen weiter. So gilt die in New York beheimatete Gruppe Islamic Thinkers Society (ITS) als US-Arm der ALM.