Bundesverfassungsgericht: Wahlrechtsreform der Ampel teilweise verfassungswidrig

Die Regierung möchte mit einer Reform des Wahlrechts den Bundestag verkleinern. Dafür hatte die Ampel die Grundmandatsklausel abgeschafft. Ein Gericht macht die Entscheidung teilweise wieder rückgängig.

Die von der Ampel-Koalition eingeführte Reform des Bundeswahlgesetzes ist in Teilen verfassungswidrig. Die Richter in Karlsruhe kippten die Aufhebung der Grundmandatsklausel. Hingegen bestätigte das Bundesverfassungsgericht die sogenannte Zweitstimmendeckung, womit womöglich einige Direktkandidaten trotz eines Siegs in ihrem Wahlkreis künftig nicht mehr im Bundestag vertreten sind.

Die von SPD, Grüne und FDP eingeführte Neuregelung ist seit vergangenem Juni in Kraft und soll erstmals bei der nächsten Bundestagswahl im kommenden Herbst angewendet werden. Sie sieht vor, dass Parteien mit ihrem Zweitstimmenergbenis ins Parlament einziehen können, wenn sie drei Direktmandate errungen haben. So hatten auch Parteien mit weniger als der nötigen fünf Prozent der Stimmen Chancen auf Plätze im Bundestag.FAQ Wahlrecht 18:10

Das sollte künftig nicht mehr möglich sein, entschied die Ampel-Regierung. Ziel ist es, die Größe des Bundestags stark zu reduzieren, indem etwa Überhang- und Ausgleichsmandate künftig wegfallen.

Urteil zum Wahlrecht vorher veröffentlicht

Der Text des Urteils war bereits in der Nacht zu Dienstag im Internet zugänglich. Demnach halten die Richter die Fünf-Prozent-Klausel im Bundeswahlgesetz ohne Einschränkung für unvereinbar mit dem Grundgesetz. Sie entschieden deshalb, dass die im Zuge der Wahlrechtsreform abgeschaffte Grundmandatsklausel bis zu einer Neuregelung fortgilt.

Gegen das Gesetz waren unter anderem 195 Mitglieder der Unionsfraktion im Bundestag, die bayerische Staatsregierung sowie die Parteien CSU und Linke vorgegangen. Eine Verfassungsbeschwerde haben zudem mehr als 4000 Privatpersonen eingereicht.

Vor allem Linke und CSU von Reform betroffen

In Karlsruhe waren gegen das Gesetz die bayerische Staatsregierung, 195 Mitglieder der Unionsfraktion im Bundestag, die Linke im Bundestag sowie die Parteien CSU und Linke vorgegangen. Zudem hatten mehr als 4000 Privatpersonen eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Die Antragssteller und Beschwerdeführer sahen vor allem zwei Grundrechte verletzt: die Wahlrechtsgleichheit nach Artikel 38 und das Recht auf Chancengleichheit der Parteien nach Artikel 21 im Grundgesetz.

Durch den geplanten Wegfall der Grundmandatsklausel stand insbesondere für CSU und Linke einiges auf dem Spiel. Bei der Wahl 2021 war die CSU, die nur in Bayern antritt, bundesweit auf 5,2 Prozent der Zweitstimmen gekommen. Würde sie bei der nächsten Wahl bundesweit hochgerechnet unter die Fünf-Prozent-Marke rutschen, flöge sie nach dem neuen Wahlrecht aus dem Bundestag – auch wenn sie wieder die allermeisten Wahlkreise in Bayern direkt gewinnen sollte.

Die Linke zog wiederum bei der letzten Bundestagswahl nur über die Grundmandatsklausel in Fraktionsstärke in den Bundestag ein. Die Partei scheiterte 2021 an der Fünf-Prozent-Hürde, gewann aber drei Direktmandate. Nach der Abspaltung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) steckt die Linke wieder tief in der Krise. Bei der Europawahl Anfang Juni erzielte sie nur noch 2,7 Prozent.

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