Ein fast deckenhohes Wandgemälde ziert eine Zelle in einem ehemaligen Verwahrhaus für psychisch Kranke in Göttingen. Für die Öffentlichkeit ist es nicht sichtbar. Wie sich das ändern soll.
Die künstlerisch gestaltete Klingebiel-Zelle im ehemaligen Verwahrhaus Göttingen soll der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Wände der Zelle, in der jahrelang der angeblich schizophrene Julius Klingebiel untergebracht war, sind mit zahlreichen Wandgemälden des ehemaligen Insassen verziert, wie der leitende Baudirektor beim Staatlichen Baumanagement Südniedersachsen, Marcus Rogge, sagte. Bisher ist der denkmalgeschützte Raum der Öffentlichkeit verschlossen.
Ab August soll das Gebäude, in dem sich die Zelle befindet und das seit 2016 leer steht, als Depot für die zwei Landesmuseen Hannover und Braunschweig wieder hergerichtet werden. In dem Zusammenhang soll auch die Einzelzelle 117 zugänglich gemacht werden, in der Klingebiel von 1951 bis 1963 lebte. Dazu sollen unter anderem Klimatechnik und ein Glaskasten eingebaut werden, über den Besucher den Raum dann künftig betreten können. Alle Arbeiten zusammen werden voraussichtlich mehr als fünf Milliionen Euro kosten.
Nachdem Ärzte bei Klingebiel 1939 mit 34 Jahren nach einem Arbeitsunfall eine angebliche Schizophrenie diagnostiziert hatten, wurde er ohne richterliche Anordnung in die Nervenklinik Hannover gebracht. Nach Aufenthalten in verschiedenen weiteren Kliniken wurde er 1951 dauerhaft im Verwahrhaus Göttingen untergebracht, wo er bis zu seinem Tod 1965 lebte.
Wandgemälde zeigen Tiere und Menschen
Weil ihn das Bemalen der Wände scheinbar beruhigte, erlaubte man es ihm nach anfänglicher Ablehnung. Heute finden sich an den Wänden zahlreiche verschiedene Zeichnungen. So sind auf der linken Raumseite vor allem sehr kleinteilige Zeichnungen zu sehen, in denen Klingebiel unter anderem die Themen Religion und Nationalsozialismus verarbeitete. Es sind etwa Kreuze, Militärorden oder eine Hitler-Karikatur zu erkennen. Auf der rechten Seite prangen großflächige Malereien, etwa von Hirschen.
Mitte der 1980er Jahre wurde eine Schutzschicht darüber aufgetragen, die sich nun aber langsam ablöst. Dabei werde auch die Farbe des Kunstwerkes mit abgerissen, berichtet Rogge. Seit 2012 steht die Zelle unter Denkmalschutz. Sie gilt als herausragendes Beispiel des Schaffens psychiatrieerfahrener Künstler, wie es im niedersächsischen Denkmalatlas heißt.