Ist die Bezahlkarte für Asylbewerber eine gute Idee? Sogar aus der Regierungspartei SPD wird die Kritik daran in Berlin wieder lauter. Das Urteil aus Hamburg will die Senatskanzlei nicht kommentieren.
Nach dem Urteil des Hamburger Sozialgerichts zur Bargeldobergrenze auf Bezahlkarten für Asylbewerber nimmt die Diskussion darüber in Berlin wieder an Fahrt auf. Deutliche Kritik kommt aus der SPD-Fraktion: Die Frage sei offen, ob es überhaupt sachliche Gründe für die Einführung gebe, teilte der SPD-Abgeordnete Jan Lehmann mit. „Die Bezahlkarte ist sinnlose Symbolpolitik. Integration von geflüchteten Menschen ist eine große Herausforderung, die nicht kleiner wird, indem man ihnen unnötig das Leben schwerer macht“, warnte er.
„Die CDU ist auf populistischen Quatsch aufgesprungen“
„Das hält niemand vom Beginn seiner Flucht ab.“ Lehmann geht dabei den Koalitionspartner scharf an: „Leider ist auch die CDU in Berlin auf diesen nun erwiesen populistischen Quatsch aufgesprungen.“
Der SPD-Parlamentarier warnte, es sei fraglich, ob eine pauschale Bargeldobergrenze rechtens sei. Das Sozialgericht Hamburg hatte am Mittwoch entschieden, dass starre Bargeldobergrenzen auf der Bezahlkarte nicht geeignet seien, um den Mehrbedarf beispielsweise von Schwangeren oder Familien mit Kleinkindern zu decken. Die für die Karte zuständige Sozialbehörde müsse die persönlichen Lebensumstände der Antragstellenden berücksichtigen.
SPD-Abgeordnete sehen Bedenken bestätigt
Sein Fraktionskollege Orkan Özdemir sieht es ähnlich: „Es stellt sich heraus, dass unsere anfänglichen Bedenken vom Sozialgericht Hamburg bestätigt wurden“, erklärte er. „Ich gehe davon aus, dass weitere Klagen in anderen Bundesländern folgen werden und diese auch in nächster Instanz bestätigt werden. Es stelle sich die Frage, ob eine Bezahlkarte mit Blick auf die Kosten-Leistungs-Bewertung überhaupt Sinn mache.
Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) nannte das Urteil des Sozialgerichts richtungsweisend. „Ich freue mich für die geflüchtete Familie über diesen Beschluss. Eine pauschale Bargeldobergrenze von 50 Euro pro Person ist laut dem Hamburger Sozialgericht nicht rechtens“, sagte sie. Die SPD-Politikerin wies allerdings auch auf die möglichen praktischen Konsequenzen der Entscheidung hin: „Die vom Gericht berechtigterweise geforderte Einzelfallprüfung stellt die Verwaltung vor eine fast unlösbare Herausforderung.“
Linke kritisiert populistische Parolen
Linke-Fraktionsvorsitzende Anne Helm teilt die Kritik an der Bezahlkarte: „Berlin kann es sich nicht leisten, jährlich eine zweistellige Millionensumme aufzubringen, um geflüchtete Menschen zu entmündigen und schlecht zu behandeln“, sagte sie. „Statt den populistischen Parolen von rechts über angebliche Pull-Faktoren nachzugeben, sollte der Senat den Mut aufbringen, ihnen entgegenzutreten.“
Auch im Senat selbst gehen die Einschätzungen zur Bezahlkarte auseinander: Berlins CDU-Chef und Regierender Bürgermeister Kai Wegner macht sich seit Langem dafür stark. Kiziltepe hat sich mehrfach kritisch dazu geäußert und insbesondere eine starre Obergrenze für die Bargeldauszahlung abgelehnt.
Senatskanzlei: Vergabeverfahren zieht sich hin
Die Senatskanzlei lehnte eine Stellungnahme zu der Hamburger Gerichtsentscheidung ab. „Die Ministerpräsidentenkonferenz hat sich am 20. Juni für die Einführung der Bezahlkarte mit einer Obergrenze von 50 Euro pro Erwachsenem ausgesprochen“, teilte Senatssprecherin Christine Richter auf dpa-Anfrage mit. „Dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner ist wichtig, dass es bei der geplanten Bezahlkarte eine bundesweit einheitliche Lösung und keinen Flickenteppich gibt.“
Richter wies darauf hin, dass sich die Einführung der Karte in jedem Fall verschiebt: Die ursprünglich für Mitte Juli vorgesehene Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren zur Bezahlkarte sei nicht möglich gewesen, weil es Nachprüfungsanträge vor der Vergabekammer Baden-Württemberg gegeben habe. „Damit kann das Verfahren noch nicht abgeschlossen werden.“ Der Dienstleister zur Einführung der Bezahlkarte stehe damit noch nicht fest. Wann die Vergabekammer entscheiden werde, sei derzeit nicht absehbar.