Eine Fehde von Banden im Raum Stuttgart hält die Polizei lange in Atem. Es wird geschossen und gedroht, auch eine Handgranate ist explodiert. Schritt für Schritt erhöhen die Ermittler den Druck.
Seit mehr als zwei Jahren sorgt die blutige Fehde zweier rivalisierender Gruppen im Großraum Stuttgart für Schlagzeilen – nun vermelden die Ermittler einen weiteren Erfolg. Bei einer Razzia seien die Wohnungen und teilweise auch die Arbeitsplätze von zehn Verdächtigen durchsucht worden, teilten Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt mit. Mindestens einer davon sei einer der Gruppierungen zuzuordnen. Andere gehören zum näheren Kreis der mutmaßlichen Kriminellen. Sechs Haftbefehle seien bei der Aktion am frühen Montag vollstreckt worden, wie es weiter hieß. Zuerst hatten die „Stuttgarter Zeitung“ und die „Stuttgarter Nachrichten“ darüber berichtet.
Nach Angaben der Ermittler sollen die acht Männer im Alter zwischen 22 und 31 Jahren und die beiden 20 und 23 Jahre alten Frauen mit Rauschgift in nicht geringer Menge gehandelt haben. Dazu versetzten sie Papier mit synthetischem Cannabis, schmuggelten es in eine Justizvollzugsanstalt und ließen es dort verteilen. „Um das mit dem Betäubungsmittel getränkte Papier in die JVA bringen zu können, soll dieses teilweise als Verteidigerpost getarnt und in die Haftanstalt verschickt worden sein“, teilten Staatsanwaltschaft und LKA mit.
Insgesamt wurden demnach 15 Objekte in Göppingen, Eislingen, Kirchheim unter Teck, Rechberghausen und Stuttgart untersucht. Die Polizei stellte unter anderem das mutmaßlich verwendete Papier, Betäubungsmittel, Messer und einen Schlagstock sowie Mobiltelefone sicher. In einer Wohnung wurden eine scharfe Schusswaffe und Munition gefunden.
Keine klassische Bandenkriminalität
Den Gruppen – die eine wird grob der Region Esslingen, Ludwigsburg und Plochingen zugeordnet, die andere dem Stuttgarter Stadtteil Zuffenhausen und Göppingen – sollen nach früheren Schätzungen der Experten mehr als 500 meist junge Menschen angehören. Nach Angaben des Landeskriminalamts von Freitag sind bislang 74 mutmaßliche Anhänger verhaftet worden. Über 200 Durchsuchungsbeschlüsse wurden vollstreckt, 31 Schusswaffen beschlagnahmt und rund 50 Messer sichergestellt.
Nach Angaben der Ermittler ist allerdings weitgehend unklar, warum sich die beiden Gruppen zusammengeschlossen haben und aus welchem Grund sie sich so blutig bekämpfen. Es handelt sich nach Einschätzung von LKA-Präsident Andreas Stenger nicht um familiäre Clans oder um die klassische Bandenkriminalität. Vielmehr sei die Gewalt nach zumeist wechselseitigen Ehrverletzungen eskaliert, es gehe um territoriale Machtansprüche und das Motto „Crime as a Lifestyle“ („Verbrechen als Lebensstil“), mit dem sich viele in den Gruppen stark identifizierten. Auch Rauschgifthandel passt nach Ansicht der Ermittler in dieses Bild.
Seit Monaten herrscht Ruhe
In den vergangenen Monaten hat die Zahl der zumeist blutigen Zwischenfälle in der Fehde allerdings auch deutlich abgenommen. Nach einer früheren Einschätzung von LKA-Präsident Andreas Stenger könnte das auch an den Fahndungen und Verhaftungen, an den nach wie vor laufenden Strafprozessen und ersten Urteilen liegen. Die letzte Tat stammt vom 12. Dezember, damals griffen vier bis sechs Maskierte in Stuttgart einen mutmaßlichen Gegner an und verletzten ihn lebensgefährlich. Am 11. Januar wurde in Urbach eine Handgranate gefunden. Seitdem sind keine Straftaten mehr der Serie zugeordnet worden.