Ein Atommülllager geht unter: Bahnt sich in der Asse eine Katastrophe an?

Seit mehr als 50 Jahren werden radioaktive Abfälle in der Asse im niedersächsischen Bergwerk bei Wolfenbüttel gelagert. Von Beginn an gab es Zweifel an dessen Sicherheit. Wohl zu recht, wie sich nun zeigt.

Sie war ein Sorgenkind von Anfang an: In der Schachtanlage Asse II im ehemaligen Salzbergwerk im niedersächsischen Landkreis Wolfenbüttel wird seit Jahrzehnten radioaktiver Müll gelagert. Eigentlich sollte die Asse nur eine Übergangslösung sein. Ein Endlager auf Zeit sozusagen, bis klar ist, was mit dem lebensgefährlichen Abfall passieren soll. Doch jetzt läuft den Betreibern buchstäblich die Zeit davon. In einer wenig beachteten Parlamentssitzung teilte die Chefin der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mit: Die Asse droht abzusaufen. Der Albtraum zahlreicher Experten und auch der niedersächsischen Anwohner könnte wahr werden. Was geschieht gerade in dem Atomlager? Lässt sich das Schlimmste noch verhindern? Alles Wichtige im Überblick.

Was ist die Asse?

Der Schacht Asse II ist einer von drei Anlagen im ehemaligen Bergwerk bei Wolfenbüttel in Niedersachsen. Im frühen 20. Jahrhundert wurde dort Kali- und Steinsalz abgebaut, der Betrieb in den 1960er Jahren allerdings aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Anschließend kaufte der Bund das Bergwerk, um dort Atommüll zu lagern. Noch vor der Inbetriebnahme warnte das niedersächsische Oberbergamt vor möglichen Wassereinbrüchen, die 1979 wie befürchtet auch passierten.PAID Endlager Kommentar Kester 17.12

In der Asse gibt es 13 Kammern, in denen rund 126.000 Fässer mit schwach- bis mittelradioaktiven Abfällen gelagert werden. Wie viel Atommüll wirklich in der Asse liegen, ist allerdings unklar. Offiziellen Angaben zufolge sollen in dem Salzstock unter anderem 104 Tonnen Uran, 81 Tonnen Thorium sowie 29 Kilogramm Plutonium gelagert sein. Vor mehr als zehn Jahren stellte sich allerdings heraus, dass in der Asse noch knapp 15.000 Fässer ohne Etikett liegen. Inhalt: unbekannt.

Kritik gibt es auch an der fehlenden Vorsicht bei der Einlagerung: „Wurden die Fässer zu Beginn noch über- und nebeneinander aufgestellt, kippte man sie später einfach in die Einlagerungskammer“, moniert etwa der Umweltverband BUND.

Was passiert gerade in dem Atommülllager?

Seit den späten 1980er Jahren ist bekannt, dass täglich ungefähr 12.000 Liter Grundwasser aus dem Deckgebirge in das Grubengebäude einlaufen. Die dabei entstandene Salzlauge konnte bisher weitestgehend abgefangen werden. Ein Teil davon ist allerdings in eine der Kammern mit Atommüll eingedrungen und deshalb radioaktiv verseucht.

Anfang 2024 folgte dann die beunruhigende Entdeckung: Die Menge des Salzwassers an der Hauptauffangstelle in 658 Metern Tiefe geht zurück. Dafür steigt seit April die Menge der Lauge auf der darunter liegenden 725-Meter-Ebene deutlich an. Laut BGE hat die Flüssigkeit den Atommüll aber noch nicht erreicht und ist nicht kontaminiert.

Warum dringt das Salzwasser ein?

Die Ursachen dafür sind noch weitestgehend unklar. Der anhaltende Gebirgsdruck auf die Grube könnte allerdings die Wege des einfließenden Salzwassers verändert haben. Außerdem können die Auffangstellen durch die ständige Bewegung undicht werden.Atommüll-Endlager 18.35

Was sagen Politiker?

Für die Grünen im Bundestag ist der Vorfall in Niedersachsen ein weiterer Grund für das Ende der Atomkraft. „In der Asse zeigt sich gerade erneut, welche Risiken die Hinterlassenschaften dieser hochrisikoreichen Technologie für künftige Generationen bedeuten“, sagte die Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann der Nachrichtenagentur AFP und bekräftigte: „Es ist gut, dass nun endgültig Schluss ist mit der Nutzung der Atomkraft. Auch, damit nicht noch mehr Atommüll anfällt. Unser Land setzt jetzt konsequent auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien.“

Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer sprach von einem „Atomdesaster in der Asse“ und forderte den Betreiber dazu auf, schnellstmöglich Maßnahmen zu ergreifen, um die unkontrollierte Ausbreitung des Salzwassers zu verhindern.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte der DPA, die Bergung des Atommülls sei „nach derzeitigem Stand die sicherste Option“ und „weiterhin unsere oberste Priorität“. „Alles andere hätte unkalkulierbare Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt der ganzen Region“, hieß es in einer nach Bekanntwerden des verstärkten Wassereinbruchs veröffentlichten Erklärung.

Kann der Müll dauerhaft in der Asse gelagert werden?

Ursprünglich war das Bergwerk als Endlager gedacht. In den 1980er Jahren entschied die damalige Bundesregierung aber, dass die Asse zu Forschungszwecken genutzt und der Atommüll dort nur zwischengelagert werden darf. Der Grund: Das Bergwerk ist instabil. Dass durch Risse in den Wänden nicht nur Salzwasser in die Grube fließt, sondern auch radioaktive Stoffe freigesetzt werden, kann langfristig nicht ausgeschlossen werden. Der Atommüll muss weg, deshalb hat der Deutsche Bundestag ein Gesetz verabschiedet, wonach die Abfälle schnellstmöglich geborgen werden müssen. Erst danach soll das Bergwerk stillgelegt werden.Abschaltung AKW Deutschland

Noch arbeiten die Experten des BGE an Lösungen, wie der radioaktive Abfall sicher abtransportiert werden kann. 2033 soll der Müll entfernt werden. Allein die Vorbereitung dafür könnte Schätzungen zufolge rund 4,7 Milliarden Euro kosten. Die Gesamtkosten inklusive Transport und Endlagerung sind derzeit noch nicht absehbar.

Wie geht es nun weiter?

Derzeit versuchen die Experten der BGE die Schadstelle zu finden. Außerdem soll die gesamte Hauptauffangstelle in 658 Metern Tiefe saniert und eine neue Ableitung der aufzufangenden Salzwassermengen eingebaut werden. Sollte die Salzlauge weiterhin unkontrollierbar in die tieferen Ebenen Richtung Atommüll einlaufen, könnten die Notfallpläne umgesetzt werden. Diese sehen eine Flutung des gesamten Bergwerks vor.

Am 27. Mai sollen die BGE-Verantwortlichen während einer öffentlichen Sitzung im Ausschuss für Umwelt, Energie und Klimaschutz des Niedersächsischen Landtags Fragen der Abgeordneten beantworten.

 

Quellen: Bundesgesellschaft für Endlagerung, Bundesamt die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, Atommüllreport, BUND, Bericht Laugensituation Asse, DPA, AFP