Wer Bahnfahren als Gesprächsthema wählt, hat mutmaßlich keine besonders lockere Konversation vor sich – von Verspätungen kann jeder ein Lied singen. Und wenn der Zug gar nicht erst fährt?
Baustellen haben für Bahnreisende in Nordrhein-Westfalen noch lange empfindliche Folgen. Am Montagmorgen sperrte die Deutsche Bahn den wichtigen Knotenpunkt Duisburg: Eine Autobahnbrücke, die über Schienen führt, wird dort saniert. Ergebnis: Im Nahverkehr fallen bis zum 2. August viele Züge im westlichen Ruhrgebiet aus, Reisende und Pendler müssen in Busse umsteigen. Im Fernverkehr werden ICE-Züge weiträumig umgeleitet.
Es ist nicht die einzige Stelle, an welcher der Schuh drückt bei der Bahn im bevölkerungsreichsten Bundesland. Zum einen läuft die Sperrung einer Schnellstrecke zwischen Köln und Frankfurt laut Bahn-Webseite noch bis zum 12. August – wegen Umleitung auf eine andere Strecke verlängert sich die Fahrtzeit dadurch deutlich. Zum anderen wurde nun bekannt, dass wichtige ICE-Strecken ab dem 5. August für mehr als vier Monate weniger befahren werden als bislang.
Landespolitiker wendet sich an Bahnchef
Das geht aus einem Brief von Landesverkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) an Bahnchef Richard Lutz hervor, welcher der dpa vorliegt und über den zuerst der WDR und die „WAZ“ berichtet hatten. So fallen zwei von täglich vier ICE-Verbindungen von Aachen nach Berlin weg, andere Verbindungen sind ebenfalls betroffen.
Die Bahn teilte hierzu mit, es handele sich um keine grundsätzliche Reduzierung, sondern eine temporäre Einschränkung bis zum 14. Dezember. Dann greift der Fahrplanwechsel. Es gebe deutschlandweit ein außergewöhnlich hohes Baugeschehen entlang vieler Bahnstrecken. „Dies wirkt sich auch auf die verfügbare Kapazität auf der Infrastruktur und die betriebliche Stabilität auch abseits der Baustellen aus“, sagt ein Bahnsprecher.
Nach seiner Darstellung sind die Folgen für den Fernverkehr insgesamt in NRW im Vergleich zum Regelfahrplan eher gering. „Es verkehren weiterhin über 95 Prozent der Fernverkehrszüge in NRW.“ Mit Umsteigen gebe es auch künftig gute Alternativen für die Fahrgäste. Der Bahnsprecher weist zudem darauf hin, dass die Bahn in NRW im Dezember 2023 so viele neue Verbindungen im Fernverkehr eingerichtet habe wie seit 20 Jahren nicht mehr.
Kritik vom Minister
Also alles halb so schlimm? Die Sorgenfalten auf der Stirn des Grünenpolitikers dürften sich nicht so wirklich glätten. In seinem Brief an Bahnchef Lutz äußert er sich kritisch über die Folgen für Bahnreisende in Nordrhein-Westfalen. Das Bundesland sei von den geplanten Reduzierungen anscheinend „besonders stark betroffen“, moniert er. Für einige Städte seien die Auswirkungen „enorm“.
„Die Städte Herzogenrath, Geilenkirchen, Erkelenz, Rheydt, Mönchengladbach, Viersen und Krefeld müssen auf eine ihrer zwei direkten Verbindungen nach Berlin verzichten.“ In Gütersloh hält ein ICE nur noch dreimal am Tag, bislang geschieht das sechsmal. In Herford fallen drei von vier ICE-Stopps vorerst aus. In Düren hält bislang einmal am Tag ein ICE, bald vier Monate lang kein Mal mehr.
Krischer äußert sich zudem sorgenvoll, dass zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember Direktverbindungen zwischen Bonn und Berlin wegfallen sollen. „Dass die Bundesstadt Bonn erneut ein deutlich reduziertes Fernverkehrsangebot mit der Streichung von fünf der neun täglichen Zugpaare hinnehmen muss, ist nicht akzeptabel.“
Der Landespolitiker warnt davor, dass Reisende „gezwungenermaßen“ auf das Flugzeug umsteigen könnten. Das würde Bemühungen für eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene und damit auch den Klimaschutz konterkarieren, schreibt Krischer.
Pro Bahn sieht verfehlte Verkehrspolitik
Auch der Fahrgastverband Pro Bahn äußert sich kritisch. „Es wird unbequemer für viele Fahrgäste“, sagt dessen Bundesvorsitzender Detlef Neuß. „Die Bahn muss aufpassen, dass sie die Reisenden nicht noch mehr verärgert.“ Die Einschränkungen wegen der Baustellen seien allerdings nachvollziehbar. „Man hat das Netz 30 Jahre lang auf Verschleiß gefahren, man hat viel zu wenig Geld in das Netz gesteckt – nun erleben wir die Folgen davon.“
Auf der Bahn-Webseite und im DB Navigator können Reisende die geänderten Fahrpläne für die kommenden Monate abrufen – dann können sie sehen, ob zu ihrer gewünschten Abfahrtzeit doch noch ein Einstieg in einen ICE an ihrem Stammbahnhof möglich ist oder ob sie erst noch mit einem Regionalzug zu einem anderen Bahnhof fahren müssen, um dort in den Fernzug einzusteigen.