Die Frau des CDU-Chefs kann ziemlich resolut sein. Bei dem, was auf Charlotte Merz zukommen könnte, schadet das nicht.
Charlotte Merz, Ehefrau von Friedrich Merz, hat jüngst Aufregung verursacht. Einem ZDF-Reporter, der den CDU-Chef zum Begriff der Leitkultur befragen wollte, drückte sie vor laufender Kamera das Mikrofon mit den Worten weg: „Leitkultur bedeutet als Allererstes, zu fragen, ob man eine Antwort geben möchte.“
Diese „wütende Ansage“ (ZDF) hat im Zuge der üblichen Aufwallungen Vorwürfe gegen das Rechtsverständnis von Charlotte Merz nach sich gezogen, weil sie nicht nur Amtsrichterin ist, sondern auch die Frau des nächsten Kanzlers sein könnte. Immerhin hat noch niemand gefordert, dass Herr Merz nur kandidieren dürfe, wenn er sich von Frau Merz scheiden lasse, weil sie nicht zweifelsfrei auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehe.
Und wenn sie’s bald tatsächlich wird?
STERN PAID 11_24 Friedrich Merz Titel 06.03
Der Mann im Amt, die Frau raus aus dem Beruf
Die Typologie der Kanzlergattin (und des bislang einzigen Kanzlergatten) hat sich über die Jahrzehnte gewandelt. Auffallend ist, dass von Ludwig Erhard an (Konrad Adenauer kam als Witwer ins Amt) alle Kanzler starke, meist gut ausgebildete Frauen zur Seite hatten, die jedoch bis hin zur Journalistin Doris Schröder-Köpf für die Regierungszeit des Gatten auf Berufstätigkeit verzichteten. Rut Brandt, Loki Schmidt und Hannelore Kohl fügten sich dem Amt ihrer Männer, berieten sie bei Entscheidungen, beeindruckten ausländische Staatschefs mit ihrem Charme oder ihren Fremdsprachenkenntnissen, engagierten sich karitativ – und litten nicht selten an Einsamkeit.
Loki Schmidt, so schreibt es die Historikerin Heike Specht in ihrem Buch „Ihre Seite der Geschichte“, bezeichnete sich als „Angeheiratete der Politik“. Hannelore Kohl präsentierte auf den Urlaubsbildern vom Wolfgangsee ein wie zementiert wirkendes Lächeln – „fast ikonografische Belege für eine bundesdeutsche Scheinwirklichkeit“, wie das „Hamburger Abendblatt“ einst über die Fotos schrieb.
STERN PAID 20_23 Helmut Kohl Titel 06.10
Doris Schröder-Köpf war die erste, die sich offensiv in die politischen Belange ihres Mannes einmischte. Im Wahlkampf 2005 sagte sie über die kinderlose Angela Merkel, diese verkörpere mit ihrer Biografie nicht die Erfahrungen der meisten Frauen, die Kinder erziehen und sich um ihren Beruf kümmern müssten. Schröder verteidigte seine Frau mit den Worten, sie lebe „das, was sie sagt“. Das sei „nicht zuletzt der Grund, warum ich sie liebe“.
Charlotte Merz ist Richterin
Merkels Ehemann Joachim Sauer, ein renommierter Wissenschaftler, war nicht nur der erste Partner, der einfach weiterarbeitete. Er verweigerte auch jeden Kommentar zur Kanzlerin. „Meine Person steht in keinem Verhältnis zur politischen Arbeit von Angela Merkel. Deshalb bin ich auch für die Öffentlichkeit nicht interessant.“ Als wir ihn einmal als Begleitpresse Merkels auf einem Flug zur Privatranch von George W. Bush in einem Besprechungsraum des Regierungsfliegers antrafen, nahm Sauer sichtlich erschrocken und grußlos Reißaus. Als Kanzlergatte trat er nur auf, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ – eine Einstellung, die Britta Ernst so von Sauer übernommen hat wie ihr Mann Olaf Scholz von Merkel die Couchgarnitur im Kanzlerbüro.
Charlotte Merz soll erkennbar schon jetzt helfen, ihrem Mann ein modernes Frauenbild zu attestieren. Ob die heute 63-Jährige im Falle eines Kanzlers Merz aktive Richterin bliebe, wissen wir nicht. Wenn ja, müsste ihr Mann drei Jahre durchhalten, damit seine Frau als erste Kanzlergattin im Job das Pensionsalter erreicht. Das wäre, wenn man es recht bedenkt, ein beachtlicher Fortschritt, den die CDU unbedingt ihrer Leitkultur zuordnen sollte.