Der Streit um den Neustart der liberalen Rabbinerschule Abraham Geiger Kolleg eskaliert. Mit einem Eilverfahren fordert sie gestoppte Mittel des Bundes ein. Worum dreht sich der Streit?
Die liberale Rabbinerschule Abraham Geiger Kolleg will im Streit über ihre Neuausrichtung mit einer Klage gegen das Bundesinnenministerium die Zahlung bisheriger Fördermittel einfordern. In einem Eilantrag wirft das Kolleg dem Innenministerium vor, die Neutralitätspflicht in religiösen Belangen zu verletzen. „Es geht um eine verlängerte Weitergewährung der Mittel“, sagte Anwalt Wolfram Hertel der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte „Der Spiegel“ über die Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht berichtet.
Das Bundesinnenministerium, das Brandenburger Wissenschaftsministerium und die Kultusministerkonferenz haben in diesem Jahr kein Geld mehr ans Kolleg gezahlt. Das Abraham Geiger Kolleg in Potsdam ist die einzige Ausbildungsstätte für liberale Rabbinerinnen und Rabbiner in Deutschland. Das Gericht äußerte sich zunächst nicht zu dem Verfahren.
Streit um Neustart des Kollegs
Die Jüdische Gemeinde zu Berlin hatte nach Vorwürfen des Machtmissbrauchs und der sexualisierten Belästigung am Abraham Geiger Kolleg im vergangenen Jahr die Trägerschaft der liberalen Rabbinerschule übernommen. Der Zentralrat der Juden lehnt dies ab. Er teilte im Februar mit dem Bundesinnenministerium, der Brandenburger Landesregierung und der Kultusministerkonferenz mit, ein Neustart mit einer Stiftung als Träger sei geplant. Die Allgemeine Rabbinerkonferenz, ein Gremium des Zentralrats, hatte dies befürwortet.
Die Rabbinerschule ist an die Universität Potsdam angebunden und wird zum Großteil aus öffentlichen Mitteln finanziert. Bei der Zuwendung durch das Bundesinnenministerium (BMI) geht es um 388.000 Euro.
Das Ministerium nahm zur Klage auf Anfrage nicht Stellung. „Wir bitten um Verständnis, dass sich das BMI grundsätzlich nicht zu laufenden Gerichtsverfahren äußert“, teilte ein Sprecher mit. Die Klage im Eilverfahren richtet sich zwar nur gegen das BMI. Der Anwalt des Kollegs rechnet aber damit, dass sich die anderen Mittelgeber bei einer Entscheidung daran orientieren. Er geht von einer Gerichtsentscheidung Ende August aus.
Streit zwischen Kolleg und Zentralrat
Im Mai 2022 war erstmals über Vorwürfe von Machtmissbrauch und sexualisierter Belästigung an der Rabbinerschule berichtet worden, was ausführliche Untersuchungen nach sich zog. Der Zentralrat der Juden in Deutschland sieht persönliches Fehlverhalten beim Gründer und früheren Rektor Walter Homolka. Dieser bestritt die Vorwürfe, zog sich aber von seinen Ämtern zurück. Homolka übertrug seine GmbH-Anteile am Abraham Geiger Kolleg und am konservativen Zacharias Frankel College auf die Jüdische Gemeinde zu Berlin. Das traf schon damals auf Kritik des Zentralrats.