Zwei Landesschiedsrichter haben sich ausführlich mit dem AfD-Politiker Matthias Helferich beschäftigt. In ihrem Beschluss geht es auch um Kontakte zu Altnazis und die vermeintliche Arbeit einer AfD-Frau „als Nutte“.
Es ist erst ein halbes Jahr her, da schickte die AfD in Nordrhein-Westfalen den Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich als Beisitzer in ihren Landesvorstand. Die Wahl war ein Bekenntnis der Delegierten zu dem Mann, der sich einst als „freundliches Gesicht des NS“, des Nationalsozialsozialismus, bezeichnet hat. Helferich, 35, ist in der AfD eng vernetzt, beim Parteinachwuchs „Junge Alternative“ genauso wie im Lager von Björn Höcke.
Wenige Monate nach seiner Wahl votierte eine Mehrheit im Landesvorstand dafür, Helferich aus der Partei zu werfen. Ende Mai stellte der Landesvorstand einen entsprechenden Antrag beim Landesschiedsgericht und bat zugleich, gerichtlich zu bestätigen, dass Helferich seine Mitgliederrechte nicht ausüben darf. Das Parteigericht hat Letzteres jetzt getan. Die Entscheidung über den Parteiausschluss steht noch aus.
AfD-Schiedsgericht: Migranten „augenscheinlich mit Viechern gleichgesetzt“
Der Beschluss der Landesschiedsrichter hat neun Seiten und liegt dem stern vor. Sie werfen Helferich darin verschiedene Vergehen vor. Eines besteht in einem Post auf Instagram. Dort veröffentlichte der Bundestagsabgeordnete das Foto eines Rückspiegelanhängers mit dem Zitat „Raus mit die Viecher“ und mit den Worten „Super“ und „#remigration“.
Das Schiedsgericht beurteilt den Post unzweideutig: „Die Verknüpfung des Slogans ‚Raus mit die Viecher‘ mit dem Begriff ‚Remigration‘ zeigt eine Einstellung einer extrem die Menschenwürde verletzenden Abqualifizierung von Migranten, die augenscheinlich mit Viechern gleichgesetzt werden.“ Im Sprachgebrauch werde das Wort Viech „herabwürdigend für ein Tier verwendet“.
Das AfD-Gericht wirft Helferich auch vor, sich im sozialen Netzwerk X hinter zwei AfD-Kollegen gestellt zu haben. Diese hatten laut Schiedsgericht öffentlich zum Ausdruck gebracht, „dass Personen türkischer und jesidischer Herkunft nicht Deutsche werden könnten“. Damit hätten sie, so das Gericht, gegen das Grundgesetz und gegen das Grundsatzprogramm der AfD verstoßen. Helferich, heißt es weiter, habe sich diese Auffassungen zu eigen gemacht, obwohl er als Mitglied des Landesvorstands gewusst habe, dass ein Ausschlussverfahren gegen die beiden Parteimitglieder beantragt sei.
„Bedrohungsszenarien“ gegenüber Parteifreunden
Den größten Raum in dem Gerichtsbeschluss nimmt ein, was die beiden Schiedsrichter als „tatsächliche oder indirekte/subtile Bedrohungen von Parteimitgliedern“ bezeichnen. Helferich schaffe „Bedrohungsszenarien“, habe wiederholt und gezielt „Fehltritte oder vermeintliche Fehltritte anderer Parteimitglieder“ platziert und das getan, „um Druck auszuüben“.
In seinem Beschluss führt das Schiedsgericht dafür mehrere Beispiele an, und das erste führt gleich tief hinein in die Machtarithmetik des größten Landesverbandes der AfD. Dort übt der Duisburger Andreas Laasch, Chef des mitgliederstarken AfD-Bezirks Düsseldorf, einen zunehmend größeren Einfluss aus. Über Laasch berichtete der „Spiegel“ 2019, dass sein Name in den Neunzigerjahren in einem Dokument der rechtsextremen Neonazi-Partei FAP aufgetaucht sei, der Freiheitlichen Arbeiterpartei Deutschlands. Die FAP-Leute aus Duisburg wollten demnach damals auf eine Gegendemo zu einer Maikundgebung nach Dortmund fahren, um „dem linken Pack zu zeigen, dass wir ihnen nicht die Straße überlassen“. Für das „Fahrzeug 5“ war laut dem Papier auch Andreas Laasch eingetragen.
Laasch hatte damals versichert, niemals Kontakt zur FAP gehabt zu haben. Das Schreiben könne „nur eine Fälschung sein“.
„Mit besten Kontakten zur alten Rechten“
Im Juni 2024, als Andreas Laasch zum AfD-Bezirksvorsitzenden gewählt worden war, meldete sich Matthias Helferich auf der Plattform X zu Wort. Er beglückwünschte Laasch und schrieb, der AfD-Landesvorsitzende Martin Vincentz und der Bundesvorsitzende Tino Chrupalla hätten „mit ihm einen guten Netzwerker – mit besten Kontakten zur alten Rechten u. einem V-Mann“.
„Beste Kontakte zur alten Rechten“, zu der zweifellos auch die längst verbotene FAP zählte: Sofern Helferich kein Aufschneider ist, verfügt er demnach über Insiderwissen zu Laaschs Vergangenheit. Nach Ansicht des Landesschiedsgerichts habe Helferich „sich berühmt, insoweit Kenntnisse aus der Vergangenheit des Zeugen Laasch zu besitzen“. Und Helferich habe „diese oder andere vermeintliche Kenntnisse“ dann für eine Drohung auf X genutzt, indem er dort geschrieben habe, offenkundig an Laasch gewandt: „Ich würde es an Eurer Stelle morgen nicht übertreiben. Du kennst Dein Umfeld und Deine Vergangenheit am besten.“
Das Schiedsgericht geht von einer „strafbaren Formalbeleidigung“ aus
Im Januar 2024 hatte sich Helferich in einer Whatsapp-Gruppe über eine AfD-Frau aus NRW geäußert, die ihre Partei über Jahre an exponierter Stellung vertrat. Das Schiedsgericht führt nun auch diesen Fall auf. Der Antragsgegner, wie er im Beschluss genannt wird, habe sich gerühmt, „Kenntnisse über eine vermeintliche Tätigkeit des Parteimitgliedes (…) in der Vergangenheit zu besitzen, indem er behauptet, ihre Tätigkeit als Nutte verteidigt zu haben und indem er äußert: ‚Eure neuerliche Hygiene, die dir ganz besonders steht als ehemalige Prostituierte …'“.
Die Landesschiedsrichter trauten Helferich offenbar einiges zu. In diesem Fall ist ihrer Einschätzung nach „zumindest von einer strafbaren Formalbeleidigung auszugehen“. Und es stehe, ergänzen sie, „auch die Drohung im Raum, dass der Antragsgegner dieses vermeintliche Wissen aus der Vergangenheit der (…) zu ihrem Nachteil an geeigneter Stelle nutzen will“.
„Beste Kontakte zu Putins Nachtwölfen“
Dem früheren AfD-Bundestagskandidaten Henning Zoz schließlich, einem Unternehmer aus Südwestfalen, schrieb Helferich im Juni 2024 auf X „beste Kontakte zu Putins Nachtwölfen und den ostukrainischen Teilrepubliken“ zu. Laut AfD-Schiedsgericht tat er das, „um dessen Ruf zu schädigen“. Helferich lasse dabei „bewusst außer Acht, dass das Parteimitglied Zoz als Unternehmer mit geschäftlichen Beziehungen in den ukrainischen Ostgebieten tätig ist und sich dort auf sensiblem Terrain bewegen muss“.
Die Schiedsrichter erkennen in solchen Sätzen Helferichs das Ziel, „Parteimitglieder oder deren Mitarbeiter mit sachfremden Geschehnissen oder Tätigkeiten aus ihrer Vergangenheit unter Druck setzen zu wollen“. Helferich wiederum hat laut Beschluss die Vorwürfe zurückgewiesen. Er habe sich im Wesentlichen verteidigt „mit umfangreichen Kenntnissen über tatsächliches oder vermeintliches Fehlverhalten der Zeugen oder Personen in deren Umfeld“.
Unterstützung aus dem Höcke-Lager
Helferich wies auch darauf hin, dass es verboten sei, die innerparteiliche Meinungsbildung einzuschränken. Diese Verteidigungslinie scheint vom Höcke-Lager unterstützt zu werden. Der Landtagsabgeordnete Torben Braga jedenfalls, früher Höckes Sprecher und weiterhin dessen Stellvertreter als Chef der Thüringer AfD, schrieb Mitte Juni 2024 auf X, hätte er sich zu Helferich geäußert, „dann nur in folgendem Sinne: Nach allem, was mir bekannt ist, wird das gegen Helferich angestrengte PAV (Parteiausschlussverfahren, die Redaktion) zum Zwecke bzw. mit der Konsequenz einer massiven Einschränkung der innerparteilichen Demokratie geführt. Das ist für sich bereits ein Verstoß gegen die AfD-Satzung & deshalb als unzulässig abzulehnen.“
Ganz allein steht Matthias Helferich im Moment offenbar nicht da.
Korrektur: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, das Schiedsgericht habe den Parteiausschluss Helferichs bestätigt. Das war ein Fehler. Mit dem Beschluss bestätigt das Schiedsgericht, dass Helferich seine Mitgliedsrechte nicht ausüben darf. Das Urteil zum Parteiausschluss steht noch aus. Wir haben die entsprechenden Stellen korrigiert und bitten den Fehler zu entschuldigen.