Pöbeleien, Tumulte, gefährliche Gegenstände: Gerichte haben es oft mit einer heiklen Klientel zu tun. Justizwachtmeister fordern deshalb eine bessere Ausstattung. Sind auch Schusswaffen nötig?
Justizwachtmeister in Baden-Württemberg beobachten an Gerichten eine neue Qualität der Gewalt und fordern deshalb eine bessere Ausstattung. „Die Gewalthemmschwelle sinkt“, sagt Reinhard Ringwald, der Landesvorsitzende der Deutschen Justiz-Gewerkschaft (DJG). Besonders arg sei es bei Gerichten in Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe und bei Mafia-Prozessen am Bodensee.
Ringwald verwies auf die Gefahr von Tumulten etwa bei einem Prozess mit verfeindeten Banden. „Da stehen einem schon mal 70 Leute gegenüber.“ Schnell zu einem Zwischenfall kommen könne es auch, wenn ein Gewalttäter statt mit zwei Wachtmeistern wegen Personalnot nur mit einem vorgeführt werden könne.
Zu wenig geschützt
Derzeit sind Justizwachtmeister im Land mit Schlagstock, Pfefferspray sowie einer Schutzweste mit Stichschutz ausgerüstet. Nicht geschützt sind Arme, Beine und der Kopf. Zumindest Schulter-, Ellenbogen- und Knieschutz und für besondere Fälle auch Helme wären aus Sicht von Ringwald sinnvoll.
Braucht es eine Dienstpistole?
Schusswaffen im Dienst, die einige Wachtmeister im Land für nötig halten, steht Ringwald „mit gemischten Gefühlen“ gegenüber. „Das ist eine heikle Sache.“ Eine Waffe könne auf engem Raum schnell entwendet werden. Und: „Man muss sich auch bewusst sein, dass man eine Waffe im Zweifel auch einsetzen muss.“
Einige Wachtmeister fordern in einem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur in Karlsruhe vorliegt, eine Schusswaffenausbildung und die Berechtigung zum Tragen einer Schusswaffe im Dienst. Sie verweisen auf das Beispiel Bayern, wo Justizwachtmeister eine Waffen- und Schießausbildung bekommen.
Wachtmeister fühlen sich „nackt“
Von der Vorführung der Angeklagten über die Sicherung von Gerichtsverhandlungen bis hin zu Kontrollen, um gefährliche Gegenstände wie Schlagringe, Messer oder Schusswaffen zu identifizieren: „Wir leisten damit einen wesentlichen Beitrag für ein funktionierendes Rechtswesen“, heißt es in dem Schreiben. Gerade am Einlass stehe man „so gut wie nackt“ da. Eine „vollkommen unzureichende Ausrüstung“ mache es unmöglich, auf bewaffnete Angreifer angemessen zu reagieren.
Zwischen Abschreckung und Eskalation
Beim Bundesverband der Justizwachtmeister kann man den Vorstoß der Karlsruher Kollegen nachvollziehen. Was eine Dienstpistole angeht, seien die Meinungen im Vorstand und bei den Landesvorsitzenden aber geteilt, so Verbandschef Alldo Hertramph. In kritischen Situationen könne eine Pistole letztes Mittel zur Bewältigung von Notfällen sein.
Für das Tragen einer Pistole spreche der Selbstschutz, die Möglichkeit einer effektiven und schnellen Reaktion sowie die abschreckende Wirkung. Dagegen spreche das Risiko der Eskalation sowie von Fehlern oder Unfällen. Auch erfordere der Umgang mit einer Schusswaffe eine intensive Schulung und regelmäßiges Training, um sicherzustellen, dass sie ordnungsgemäß und verantwortungsbewusst eingesetzt werde.
Notfalls Hilfe von der Polizei
Dem Justizministerium zufolge müssen Sicherheitsinteressen von Justizbediensteten, Prozessbeteiligten und Besuchern berücksichtigt werden. Seit der Ausstattung der rund 650 Justizwachtmeister im Land mit Reizstoffsprühgerät und Einsatzstock vor zehn Jahren sind dem Ministerium keine Fälle bekannt, in denen diese angewendet wurden. Bei Bedarf kann die Polizei um Amtshilfe gebeten werden. Auch vor dem Hintergrund bestehe derzeit kein Bedürfnis, die Bewaffnung der Wachtmeister auszuweiten, so das Ministerium. Demnach wurden im vergangenen Jahr 177 Vorkommnisse gemeldet mit Körperverletzungen, Handgreiflichkeiten, Bedrohungen oder Beleidigungen.
Es hakt auch an anderen Stellen
Um Amts- und Landgerichte zu stärken, ist aus Sicht der Gewerkschaft dringend mehr Personal nötig. Die Zahl der Justizwachtmeister müsse um 300 aufgestockt werden. Und sie müssten besser ausgebildet und ausgestattet werden: Nötig wären eine bessere Entlohnung sowie ein höherer Zuschuss zur Uniform, die die Beamten selbst bezahlen müssen. Das jährliche Kleidergeld in Höhe von rund 340 Euro decke nicht einmal die Kosten für eine Grundausstattung. „Für eine vollständige Grundausstattung muss ein neu eingestellter Justizhelfer ungefähr 500 bis 600 Euro ansetzen“, sagt Gewerkschaftsvizechef Thorsten Klay – bei einem Verdienst von etwa 2.500 Euro brutto während der Qualifizierung.
Glühbirnenwechsel und Aktenschieben
Die Gewerkschaft fordert angesichts steigender Sicherheitsanforderungen zudem eine Entlastung der Justizwachtmeister von Hausmeisterdiensten. Derzeit würden sie unter anderem auch für Botengänge, Aktentransporte, Einrichten von Videokonferenzen oder für das Wechseln von Glühbirnen eingesetzt.