Mit dem 9-Euro-Ticket hatte auf Sylt im Sommer 2022 alles begonnen. Jetzt gehen die Protestcamps auf der Urlaubsinsel in die dritte Runde.
Bepackt mit Rucksäcken, Isomatten, Zelten und Kaltgetränken sind zwei Tage vor dem offiziellen Start die ersten Teilnehmer des Protestcamps auf Sylt angekommen. Am Montag beginnt hier das rund sechswöchige Camp der Gruppe „Aktion Sylt“. Es ist der dritte Sommer, in dem Punks aus ganz Deutschland hier ihre Zelte aufschlagen, auch um auf diese Weise Kritik am Kapitalismus auf der Insel der Reichen und Schönen zu üben.
Ente (19) aus Nordrhein-Westfalen war jedes Jahr mit dabei. Bei Bier und Kartenspielen vertreibt sie sich mit anderen Punks – unter ihnen Phil (18) und Sari (17) aus Uelzen sowie Knolle (20) aus Hannover – am Wilhelminen-Brunnen in Westerland die Zeit bis zum Zeltaufbau im Camp.
Gemeinde Sylt zeigt sich gelassen
„Wir gehen von einem friedlichen Verlauf des Protestcamps aus. Die Gespräche zwischen der Sylter Polizei, dem Kreis Nordfriesland und unserer Ordnungsbehörde liefen und laufen sehr konstruktiv“, teilte Florian Korte, Sprecher der Gemeinde Sylt, der Deutschen Presse-Agentur mit. Das Ordnungsamt werde, wie in den vergangenen Jahren, kontrollieren, ob die Auflagen eingehalten werden.
Mit dem 9-Euro-Ticket waren 2022 ungezählte Punks aus ganz Deutschland auf die Insel gereist und hatten unter anderem mit ihrem Protestcamp bundesweit für Schlagzeilen gesorgt – aber auch für Unmut bei Syltern und Gästen. Im vergangenen Jahr stand die Veranstaltung unter dem Motto „Sylt für alle“, damit wollten die Punks damals nach eigenen Angaben auf die Spaltung der Gesellschaft aufmerksam machen.
Eine sehr kleine Vorhut hatte bereits Anfang Juni auf Sylt protestiert, nachdem zuvor ein Video von einer Party in einem Lokal auf Sylt bundesweit Empörung ausgelöst hatte. Darin waren Gäste zu sehen, die zu dem Song „L’amour toujours“ Parolen wie „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“ grölten.
Auch Anarchistische Pogo-Partei plant Aktion
„Das Protestcamp startet, soweit uns bekannt, in der Tat wie angekündigt“, teilte Hans-Martin Slopianka, Sprecher des Kreises Nordfriesland, mit. Schon ab Samstag dürfen die maximal 300 Teilnehmer demnach ihre Zelte auf einer Wiese im Industriegebiet nahe dem Flughafen in Tinnum aufbauen und dort bis zum 28. Juli bleiben. Dann müssen sie laut Slopianka auf die sogenannte Festwiese, südlich der ersten Fläche, umziehen. Gründe für den Umzug – von der einen auf die andere Rasenfläche – nannte er nicht.
„Alle Anlagen (Zelte, Toiletten, Müll) sind bis zum 6. September, 12 Uhr, komplett zu entfernen“, teilte der Sprecher mit. Zu den Auflagen zähle unter anderem, dass die Anmelder Chemietoiletten bereitstellen und Ordner mit weißen Armbinden oder Warnwesten im Camp unterwegs sind. Früheren Angaben des Kreises zufolge ist das Protestcamp auf Sylt für den Zeitraum vom 22. Juli bis zum 1. September angemeldet.
Auch die Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands (APPD) hatte zuletzt via Instagram „Chaostage“ vom 24. Juli bis zum 13. August auf der Nordseeinsel angekündigt. „Bald geht’s los! Alerta Alerta Sylt Sylt Sylt! Alerta Alerta Antifascista!“, heißt es in dem Post der Kleinpartei.
Unklar war zuletzt, ob die Mitglieder des Berliner Ablegers der APPD das bereits angemeldete Camp der „Aktion Sylt“ mit bewohnen, oder eine eigene Anmeldung starten. Eine entsprechende Anmeldung für eine eigene Aktion liegt laut Kreis bisher nicht vor.
Polizisten aus Flensburg unterstützen auf Sylt
Auch die Polizei plant die Begleitung der angemeldeten Versammlung auf der Urlaubsinsel, wie Gina Plath, Sprecherin der Polizeidirektion in Flensburg, der dpa mitteilte. „Die Polizeidirektion Flensburg wird zusätzliche Kräfte zur Unterstützung des Polizeireviers Sylt einsetzen.“ Zur Zahl der Einsatzkräfte und dem Vorgehen der Beamten könne sie aus taktischen Gründen keine Angaben machen.
„Die Polizei ist darauf vorbereitet lageangepasst schnell reagieren zu können.“ Zum Ordnungsamt und der Versammlungsbehörde stehen die Beamten laut Plath in engem Kontakt. Zudem finde ein regelmäßiger Austausch mit den Veranstaltern des Protestcamps statt.
Im vergangenen Jahr war für rund zwei Monate ein Protestcamp auf einer öffentlichen Wiese in Tinnum nahe dem Sylter Flughafen genehmigt worden. Zu den Teilnehmern und Initiatoren zählten damals die Gruppe „Aktion Sylt“ sowie auch Mitglieder der APPD.
Zentral und in einem Park direkt vor dem Rathaus von Westerland sowie vor der Kirche St. Nicolai hatten 2022 gegen die Entwicklung Sylts protestierende Punks wochenlang gezeltet. Sylter und Urlauber beschwerten sich über Lärm, Müll und Gestank. Schließlich musste das Lager nach einem entsprechenden Gerichtsbeschluss geräumt werden.