Der Personenkult um Multimilliardär Elon Musk hat seinen Unternehmen jahrelang geholfen. Doch bei vielen seiner Fans fällt der Tesla-CEO zunehmend in Ungnade. Ein Tesla-Kauf ist inzwischen ein Politikum – und einige nehmen lautstark Abstand.
Vor zehn Jahren war Tesla eine hoffnungsvolle Randerscheinung. Schon damals war Elon Musk das Gesicht der Marke – und scharte zahllose Fans um sich. Einen Tesla zu besitzen galt als Statement. Wer elektrisch fuhr und Musk den Rücken stärkte, setzte sich für eine bessere Welt ein. Und egal wie sehr das Unternehmen immer wieder ins Straucheln geriet oder Fristen nicht halten konnte – an der Börse ging es meist nur nach oben. Seit langer Zeit gilt Tesla deshalb als wertvollstes Automobilunternehmen der Welt. Der Börsenwert von derzeit etwa 800 Milliarden US-Dollar stellt die restliche Branche in den Schatten. Erst wenn man Toyota, BYD, Ferrari, Mercedes-Benz, Porsche, Stellantis, Volkswagen und BMW zusammenrechnet, kommt man auf eine ähnliche Summe. Das Vertrauen in die Marke Tesla ist astronomisch.
Und doch bröckelt die Fassade. Das liegt aber nicht an veralteten Modellen, einem quasi gescheiterten Cybertruck, den leeren Versprechen oder der allgemeinen Skepsis gegenüber Elektroautos – sondern an der einstigen Galionsfigur Elon Musk.
Tesla ist und war immer ein Statement – nur heute ein anderes
Denn Musk zeigt spätestens seit dem Kauf von Twitter eine vollkommen andere Seite von sich. Ob er lediglich sein wahres Ich offenbart oder sich in den vergangenen Jahren radikalisiert hat, ist fraglich. Fakt ist aber, dass sich einige seiner treuesten Fans nicht mehr mit ihm identifizieren können und seine Produkte daher für viele zum politischen Tabu werden. Ein Statement ist ein Tesla noch immer – aber eben ein völlig anderes.
Die Zeit wird zeigen, ob der Inhaber des reichweitenstärksten Twitter-Accounts der Welt sich selbst in den Abgrund reißt. Das Zeug dazu hätten die Inhalte. Dafür muss man nicht einmal zur Corona-Pandemie zurückgehen, in der Musk die Maßnahmen der Regierung offen kritisierte und seine Mitarbeiter am liebsten in den Büros festgekettet hätte. Auch die Zeit der Twitter-Übernahme und der Umgang mit seinem neuen, offensichtlich aber unerwünschten Personal ließen das Fass noch nicht überlaufen.
Es ist vielmehr Elon Musks politische Agenda, die seinem alten Publikum sauer aufstößt – und neue Fans anlockt, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Elon Musk und Joe Biden waren nie Freunde
Schon lange kriselt es zwischen Musk und der demokratischen Regierung der USA – er und Joe Biden werden keine Freunde mehr. Beide Seiten haben das durch teils offene Ablehnung oder ausbleibende Einladungen zu wichtigen Versammlungen sehr deutlich gemacht. Doch der ehemals libertäre Anhänger der „Dems“ geht heute noch einen Schritt weiter: Er wechselt öffentlichkeitswirksam das Lager.
Kurz nach dem Attentat auf Ex-Präsident Donald Trump drehte Musk so richtig auf. „Ich unterstütze Präsident Trump voll und ganz und hoffe auf seine schnelle Genesung“, schrieb er kurz nach den Schüssen. Er fuhr fort: „Das letzte Mal, dass Amerika einen so harten Kandidaten hatte, war Theodore Roosevelt.“
In den Tagen nach dem Mordversuch kam Musk nicht mehr zur Ruhe. Immer wieder wetterte er gegen die Medien und teilte Inhalte aus einer deutlich rechtsorientierten Richtung, teilweise bewegte er sich tief im Lager von Verschwörungstheoretikern wie der neurechten Naomi Seibt, die sich als Klimawandel-Leugnerin einen Namen gemacht hat. Mit einem Video von ihr wandte er sich an Bundeskanzler Olaf Scholz, um eine Strafe für Sebastian „El Hotzo“ Hotz nach dessen umstrittenem Tweet zum Attentat zu fordern.
Zuletzt machte Musk Schlagzeilen, als das „Wall Street Journal“ berichtete, dass er Donald Trump im Wahlkampf offenbar nicht nur mit seiner enormen Reichweite unterstützt, sondern auch mit Geld – sehr viel Geld. Dem Bericht nach wolle Musk jeden Monat 45 Millionen US-Dollar spenden, damit es Trump an nichts fehlt.
Dass in diesem Verhalten ein unglaublicher Wandel steckt, wird offensichtlich, wenn man sich die Vergangenheit von Trump und Musk anschaut. Noch vor zwei Jahren hatte Musk Donald Trump als „zu alt für das Amt“ bezeichnet und gesagt, er wolle Floridas Gouverneur Ron DeSantis unterstützen. Kurz darauf nannte Trump seinen heutigen Unterstützer einen „Bullshit Artist“. Die Fronten waren also durchaus verhärtet.
Diese Kehrtwende, die sich rund um den wohl größten Streitpunkt der amerikanischen Bevölkerung abspielt, sorgt dafür, dass sich zahlreiche Menschen nicht mehr mit Musk identifizieren können – oder sich gar lossagen. Nicht wenige sind der Ansicht, dass die lautstarke Unterstützung von Donald Trump Tesla schweren Schaden zufügen könnte. Und das nicht nur, weil Trump kein Freund elektrischer Fahrzeuge ist und so manches Gesetz nach etwaiger Amtsübernahme wieder zurückdrehen will. Im schlimmsten Fall könnte das zusätzliche Steuern oder gestrichene Subventionen für Tesla-Fahrzeuge bedeuten, was dem Absatz schaden könnte.
Musk verliert sein wichtigstes Verkaufsmittel
Schlimmer ist wohl, dass Musk seinen wichtigsten Marketing-Kniff verlieren könnte. Wenn er den umweltbewussten Käufern seiner Autos so offensichtlich zeigt, dass er deren Ansichten und Ideologien nicht teilt, gibt es keinerlei Grund mehr für diese Menschen, ihn und seine Arbeit zu unterstützen. Das andere Lager, das Musk nun feiert, dürfte allerdings wenig Interesse an umweltschonenden Elektroautos haben. Im Trump-Lager sind sie zum Teil durchaus verhasst. Die Chancen, dass Musk die fehlenden Bestandskunden ersetzen kann, sind also gering.
Diejenigen, die aus ideologischen Gründen bereits mit einem Tesla unterwegs sind, haben derweil ein schweres Los. Nicht selten sieht man auf diesen Autos einen Aufkleber auf dem steht: „Ich habe dieses Auto gekauft, bevor wir erfahren haben, dass Elon verrückt ist“. So witzig diese Nachricht ist, so bedrohlich ist die Aussage. Denn jemand, der dieser Meinung ist, wird sich keinen neuen Tesla kaufen. Auch das schadet dem Unternehmen.
Schon heute zeichnet sich ab, dass Tesla immer weniger Fahrzeuge absetzen kann. Im zweiten Quartal 2024 waren es 4,8 Prozent unter Vorjahr. Auch das erste Quartal schnitt im Vergleich merklich schlechter ab. Und das kann man nicht nur auf die allgemein miese Stimmung im Markt schieben. Die „New York Times“ hat den Beweis: In einer Umfrage unter 7500 Personen sagten einige der Befragten offen, dass sie sich durch das Verhalten des CEO beleidigt fühlten. Ein Microsoft-Mitarbeiter erklärte auf die Frage, wie er die Lage für Tesla einschätze: „Es ist, als würde man mit einer gigantischen roten MAGA-Mütze umherfahren“. Die MAGA-Mütze ist das Erkennungsmerkmal für den harten Kern der Trump-Anhänger – die Abkürzung steht für Trumps Schlachtruf „Make America Great Again“. Der Mann entschied sich deshalb gegen einen Tesla und ging zu Volkswagen. Damit ist er nicht alleine.
Tesla strauchelt auch ohne Musk
Das politische Dilemma und die Identifikationsfigur Musk sind aber längst nicht alle Probleme, mit denen Tesla zu kämpfen hat. Hinzu kommen zahllose gebrochene Versprechen des Chefs, was neue Funktionen seiner Fahrzeuge betrifft. Auch seine Bestrebungen in Sachen Robo-Taxen musste er erst kürzlich wieder relativieren und ein wichtiges Event verschieben.
Hinzu kommen die vielseitigen Probleme, die Musk neueste Kreation, der Cybertruck, hat. Mehrere Rückrufe und massenhaft Kundenbeschwerden haben aus dem zumindest optisch revolutionären Fahrzeuge eine Lachnummer auf Rädern gemacht.
Fakt ist: Tesla schwimmt. Und Musk zieht an den Beinen. Kaum ein anderes Unternehmen ist mit seinem Chef so eng verwoben – und früher oder später wird man die vielen Pionierleistungen in puncto Elektromobilität vergessen haben und nur noch einen wütenden Musk sehen, der seinen treuesten Kunden den Rücken gekehrt hat. Das, in Verbindung mit der Tatsache, dass jeder Tesla-Kauf indirekt eine Parteispende für Trump werden könnte, macht es zum echten Problem, hier guten Gewissens zuzuschlagen. Auch wenn die Autos im Kern absolut solide sind.