Nach sechs Wochen fällt der Schuldspruch wegen Körperverletzung im Prozess gegen Ex-Nationalspieler Jérôme Boateng. Die Richterin greift dabei zu einer milden Strafe.
Jérôme Boateng zeigt keine Regung. Mit starrem Blick und einer getönten Brille auf der Nase blickt der Angeklagte zur Richterin, die ihr Urteil im Prozess um die Gewaltvorwürfe seiner Ex-Partnerin verkündet. Die Richterin spricht von einer toxischen Beziehung, von schwierigen familiengerichtlichen Verfahren um die gemeinsamen Zwillingstöchter, die sich seit zehn Jahren ziehen und Schmutz, mit dem sich die beiden Eltern beworfen haben.
Im Prozess ging es um den Vorwurf der Körperverletzung und Beleidigung und einen Vorfall aus dem Jahr 2018. Es ist der dritte Prozess in dieser Angelegenheit. Zweimal wurde Boateng bereits verurteilt – 2021 und 2022. Die Staatsanwaltschaft hatte Boateng vorgeworfen, seine Ex-Partnerin Sherin S. in einem Streit im gemeinsamen Karibikurlaub körperlich angegriffen zu haben.
PAID Boateng vor Gericht Prozessauftakt 18:51
Er soll sie an den Haaren gezogen, ihren Kopf hin- und her geschüttelt, sie mit einem Windlicht und einer Kühltasche beworfen, in den Kopf gebissen und anschließend zu Boden geworfen und auf sie eingeschlagen haben. Auch andere, länger zurückliegende Gewaltvorwürfe wurden im Prozess behandelt.
Die Richterin hat ein anderes Bild von Boateng und den Geschehnissen. „Wir haben hier nicht den schlimmen Frauenschläger“, sagt sie. Von diesem Vorwurf sei in dem Verfahren nichts übrig geblieben. Sie kritisiert gegenseitige Gewalt – Boateng sei bei dem Streit an seiner Lippe verletzt, in einem anderen Fall getreten worden – und widersprüchliche Aussagen der Geschädigten und weiteren Zeugen. Anhand der Beweisaufnahme, insbesondere anhand des Gutachtens des rechtsmedizinischen Sachverständigen, sehe sie lediglich einen Schlag ins Gesicht als erwiesen. Boateng sei einmal in der Beziehung „über Gebühr ausgerastet“ – danach nie wieder. „Wir sehen keine Veranlassung zu glauben, dass es zu weiteren Straftaten kommt.“ Denn die Beziehung sei beendet. Mit dem Urteil wolle man dem Bild des notorischen Schlägers ein Ende bereiten. Boateng habe genug unter der langen Verfahrensdauer und der medialen Hetzjagd gelitten.
Boateng-Prozess: 2. Verhandlungstag 20.15
Statt der von der Staatsanwaltschaft geforderten Geldstrafe in Höhe von 1,12 Millionen Euro, verwarnt die Richterin den Angeklagten unter Strafvorbehalt zu 40 Tagessätzen à 5000 Euro – die muss er nur zahlen, sollte er innerhalb seiner einjährigen Bewährung erneut straffällig werden. Außerdem legt ihm die Richterin auf, jeweils 50.000 Euro an zwei gemeinnützige Organisationen zu spenden: An eine Jugendstiftung und an ein Kinderkrankenhaus. „Wir haben uns absichtlich gegen eine Frauenschutzinitiative entschieden, da das das falsche Signal gewesen wäre.“ Die Leidtragenden in dem Prozess seien die gemeinsamen Kinder. So hielt man diese Einrichtungen für passend. „Damit hat sich die Sache erledigt. Glücklicherweise“, sagt die Richterin abschließend.
Jérôme Boatengs Verteidiger zufrieden
Boatengs Verteidiger zeigen sich nach der Verhandlung zufrieden. Rechtsanwalt Thomas Knipp sagt: „Unser Mandant hat einfach überreagiert. Das kann jedem von uns passieren.“ Gerade vor dem Hintergrund der toxischen Beziehung. Es sei ein Einzelfall gewesen. „Dafür spendet er jetzt an diese beiden Sozialeinrichtungen. Und das ist, finde ich, ein vernünftiges Urteil.“ Ob sie rechtliche Schritte gegen die Ex-Partnerin einleiten wollen, würden sie mit ihrem Mandanten noch absprechen.
Anders als in anderen Prozessen, in denen es um Gewaltvorwürfe geht, habe es hier immerhin einen Schuldspruch gegeben, sagt die Anwältin von Sherin S., Carolin Lütcke. „Das war eine Einwirkung stumpfer, massiver Gewalt auf das Auge. Eine vorsätzliche Körperverletzung wurde hier festgestellt.“ Geläutert sei Boateng ihrer Meinung nach nicht. „Das sieht man daran, dass er es nicht für nötig befunden hat, sich bei meiner Mandantin zu entschuldigen oder er keinerlei Einsicht gezeigt hat.“
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.