Selena Gomez wurde durch eine Disney-Serie zum Teenie-Star und machte auch als Schnulzensängerin Weltkarriere. Jetzt bekommt sie auch Aufmerksamkeit für ihre Schauspielkunst. Eine Überraschung?
Ihre Reaktion war eher verhalten. Sie postete ein altes Plakat ihrer Serie, dazu die Bemerkung: „Wir freuen uns sehr über unsere Nominierungen“. Kurz danach machte sie auf ihrem Instagram-Konto bereits wieder Werbung für ihre eigene Kosmetikmarke. Ab sofort sei ein neuartiger Gesichtspuder erhältlich, teilte Selena Gomez jubilierend mit. Man spüre ihn kaum auf der Haut und sie könne ihn nun „bei Dreharbeiten, bei Foto-Shootings, eigentlich einfach überall“ benutzen. Zu schön.
Wozu man wissen muss: Gomez auf Instagram – das ist mehr als die übliche Strategie „Promi sucht sich Plattform für Eigenwerbung“, sondern echte Liebe. Sagenhafte 426 Millionen Follower versammelt die bald 32-jährige US-Amerikanerin dort. Und lässt ihre Gefolgschaft immer wieder sehr nah an sich und ihre Sorgen heran. Zum Beispiel wie sie ihre Krankheiten meistert.
Krankheiten und prominente Liebhaber
Gomez hat öffentlich über Bodyshaming gesprochen und ihr Leiden an der Autoimmun-Erkrankung Lupus (eine Art Entzündungs-Rheuma), wegen der sie Medikamente einnehmen musste, die ihren Körper veränderten. Schließlich musste ihr eine Spenderniere transplantiert werden. Wegen ihrer Panik-Attacken und Depression musste sie 2016 schon mal eine Tour absagen. Später gestand sie noch eine ständige Erschöpfung und psychische Probleme, unter anderem wurde ihr eine bipolare Störung diagnostiziert. Dass sie während dieser Zeit prominente Liebhaber hatte – sie war zusammen mit The Weeknd, Nick Jonas und Justin Bieber – steigerte das Interesse an ihrer Person zusätzlich.
Sängerin, Schauspielerin, Instagram-Liebling: Das Leben von Selena Gomez in Bildern15:59
Gomez ist die Tochter eines Mexikaners und einer Italo-Amerikanerin, die als Theaterschauspielerin gearbeitet hat und bereits mit 16 mit ihr schwanger wurde. Ihre Eltern trennten sich früh, Gomez wuchs im Anschluss in ärmlichen Verhältnissen mit ihrer alleinerziehenden Mutter auf.
Ihre Hauptrolle als sarkastische, freigeistige Hexe in der Disney-Serie „Die Zauberer vom Waverly Place“ ab 2007 und ihr erstes Dance-Pop-Album „Kiss & Tell“ von 2009 machten sie bald zum Idol einer ganzen Generation. Heute haben auf Spotify gleich sechs Hits von und mit ihr mehr als eine Milliarde Abrufe, darunter „Calm Down“, „Taki Taki“ und „Lose You to Love Me“. Mittlerweile hat sie zudem eine eigene Kochshow unter dem etwas banalen deutschen Titel „Selena Gomez kocht – Genussvoll lernen“, von der es bereits vier Staffeln und ein Special gibt. Dafür lädt sie Profi-Köche zu sich nach Hause ein, um ihnen Küchengeheimnisse zu entlocken. Jamie Oliver und Gordon Ramsay waren bereits zu Gast.
Pop hart an der Kitschgrenze
Große Teile des Publikums und Gelegenheitsfans haben die gebürtige Texanerin trotzdem nie richtig ernst genommen. Vielmehr galt sie als glitzernde, aber oberflächliche Prinzessin, die lustig sein kann und romantisch. In Fernsehen, im Kino und auch wenn sie ihren leichtgängigen Pop darbietet, hart an der Kitschgrenze.
Dass Gomez auch anders kann und will, ernster und eindringlicher, zeigte sie erstmals vor zwölf Jahren mit einem Auftritt in dem drogensatten Party-Film „Spring Breakers“. Wie gut sie sein kann, belegen auch die bislang drei Staffeln der Krimi-Serie „Only Murders in the Building“ auf Disney+. An der Seite von Steve Martin und Martin Short, also zwei älteren Herren, spielt Gomez eine Malerin, die zwar eine teure Wohnung in einem New Yorker Apartment-Haus geerbt hat, sich aber oft einsam und melancholisch fühlt. In der zweiten Staffel hat sie immerhin eine lesbische Affäre. Gomez spielt das überzeugend wie einfühlsam, als jugendliche und doch altersweise Frau, die ihren Weg noch nicht gefunden hat.
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Allein für die Krimi-Serie war sie bereits zwei Mal für einen Emmy nominiert, jedoch nur in der übergeordneten Kategorie „Herausragende Serien-Komödie“. Sie ging jedes Mal leer aus. Nun wurde sie erstmals auch als „Herausragende Schauspielerin“ für ihre Einzelleistung mit einer Nominierung gewürdigt.
Es ist schon die zweite Anerkennung in diesem Jahr. Beim Filmfestival in Cannes war Gomez Teil eines Frauenensembles im Thriller-Musical „Emilia Pérez“ von Regisseur Jacques Audiard („Der Geschmack von Rost und Knochen“). Es geht um einen mexikanischen Drogenbaron, der sich zur Frau umwandeln lässt und seine Sünden, wenigstens zum Teil, wieder gutmachen will. Gomez spielt die blondierte und untreue Ehefrau des Bösewichts mit so viel Feuer und Furor, dass man sich auch mit ihr besser nicht anlegen sollte.
Selena Gomez ist lange genug dabei – und gut gereift
Die Jury des Festivals, Präsidentin war Greta Gerwig, belohnte die Leistung mit einem Darstellerpreis für die vierköpfige Frauengruppe, darunter auch die ebenfalls oft unterschätzte Zoe Saldaña als Rechtsanwältin.
Warum Gomez plötzlich künstlerisch so gut ankommt? Nun, vielleicht ist sie inzwischen lange genug im Showbiz, um ihre Stärken zu kennen und neu zu justieren. Bei ihrem ersten Job im Kinderfernsehen war sie zehn Jahre alt.
Ihre Krankheit schon in jungen Jahren, ihr offensiver Umgang mit privaten Problemen und Leiden, haben sie zudem emotional reifen lassen. Es scheint, also könne sie dadurch ihre Figuren besser durchdringen und tiefer ausloten.
Gomez hat inzwischen durch Energie und Durchhaltewillen, durch Kreativität und Talent einen Status erreicht, bei dem sie keine Rücksicht mehr nehmen muss auf Erwartungen und Empfindlichkeiten. Oder auf Spott über ihre neuen Rundungen. Sie spielt sich gerade frei. Und Fans können sicher sein: Sie wird uns weiterhin überraschen. Nicht nur mit ihrem Gesichtspuder.