Im Norden bläst der Wind beständig. Gute Voraussetzungen für die Windkraft-Nutzung, die die Landesregierung nach eigenem Bekunden vorantreiben will. Doch werden kaum neue Windräder errichtet.
Die Bemühungen der Landesregierung um einen beschleunigten Ausbau der Windkraft-Nutzung in Mecklenburg-Vorpommern schlagen sich bislang nicht in sichtbaren Ergebnissen nieder. Im ersten Halbjahr 2024 wurden nach Branchenangaben im Nordosten lediglich sieben neue Windräder mit einer Gesamtleistung von rund 39 Megawatt errichtet. Das bedeutet einen Rückgang gegenüber dem bereits schwachen Vorjahreszeitraum, als 12 neue Windräder im Land installiert wurden. Bei ihrem Amtsantritt 2021 hatte die rot-rote Landesregierung angekündigt, wieder mehr Tempo in den Bau neuer Windparks zu bringen.
Auch bundesweit geriet der Windenergie-Ausbau ins Stocken. In ganz Deutschland wurden 250 neue Windräder mit einer Gesamtleistung von rund 1,3 Gigawatt errichtet. Das waren etwa ein Viertel weniger neue Anlagen als im Vorjahreszeitraum. Die Zahl der neu genehmigten Windräder, die noch nicht installiert sind, stieg allerdings um 32 Prozent auf 847. Vor allem diese positive Entwicklung sollte in den Blick genommen werden, sagte Bärbel Heidebroek, Präsidentin des Bundesverbands Windenergie. Es gebe sehr viel Potenzial für den Ausbau.
Branchenverband in MV mit Zubau unzufrieden
„Die bundesweiten Windenergie-Ausbauzahlen und auch der Ausbau der Windkraft an Land in Mecklenburg-Vorpommern können nicht zufriedenstellen“, sagte Johann-Georg Jaeger, Vorsitzender des Landesverbandes Erneuerbare Energien. Nach seinen Angaben steigen auch in MV die Genehmigungszahlen langsam an, doch reiche das Tempo nicht, um den Ausbau spürbar voranzubringen.
„Die komplizierten, langsamen und ineffizienten Genehmigungsverfahren könnten durch einen bisher fehlenden Windenergieerlass bedeutend vereinfacht und beschleunigt werden und zu einem effizienteren Einsatz des Personals in den Genehmigungsbehörden führen“, zeigte sich Jaeger sicher. Für Verzögerungen sorge insbesondere der Denkmalschutz. Dessen Stellungnahmen zu Windparkprojekten kommen oft verspätet oder sind negativ. Zudem wehren sich lokale Bürgerinitiativen häufig gegen neue Windparks.
„Wir sind uns mit allen Ministerien einig, dass wir besser und schneller werden wollen beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Dafür sind bereits eine Reihe von Prozessen angestoßen worden. Ich rate uns, dabei sehr pragmatisch vorzugehen und die Genehmigungen nicht komplizierter zu gestalten, als sie sind“, mahnte Energieminister Reinhard Meyer (SPD).
Geringe Akzeptanz für neue Windparks in MV
In Mecklenburg-Vorpommern erzeugen aktuell 1.859 Windräder Strom. Im benachbarten Schleswig-Holstein sind es 3.238. Die installierte Leistung dort beträgt auf die Landesfläche bezogen 522 Kilowatt je Quadratkilometer und ist damit etwa dreimal so hoch wie in MV. Die Akzeptanz für die Ökostrom-Produktion ist in Schleswig-Holstein höher. Als ein wesentlicher Grund dafür gilt, dass die Betreiber der Windparks zumeist aus der Region kommen und so auch die Erträge im Land bleiben. In Mecklenburg-Vorpommern kamen in der Vergangenheit meist auswärtige Investoren zum Zug.
Bürgerbeteiligungsgesetz in MV verfehlt Wirkung
Die Landesregierung hatte daher 2016 ein Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetz beschlossen, das allerdings die erhoffte Wirkung verfehlte. Das Gesetz soll nun erneuert werden. Nach den Worten von Minister Meyer sind verschiedene Varianten der Beteiligung von Bürgern und Kommunen an den Einnahmen aus den Anlagen vorgesehen. Denkbar seien etwa vergünstigte Stromtarife oder auch die Möglichkeit, Anteile zu erwerben. Wegen der hohen Netzentgelte, eine Folge des teuren Netzausbaus für den Abtransport des Windstroms, zahlen Verbraucher in MV mit die bundesweit höchsten Strompreise.
Nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz sollen Betreiber von Windenergieanlagen den Standortkommunen eine finanzielle Beteiligung anbieten. Es handelt sich um eine freiwillige Regelung.
Ambitionierte Ziele
Bis 2035 will Mecklenburg-Vorpommern rechnerisch den gesamten Energiebedarf des Landes inklusive Wärmeversorgung und Mobilität aus erneuerbaren Quellen decken. „Das kann aber nur funktionieren, wenn wir die Menschen bei uns im Land mitnehmen“, betonte Meyer. Die Akzeptanz von Windrädern und Solaranlagen habe einen klaren materiellen Hintergrund: Was habe der Einzelne konkret davon. Deshalb gebe es auch Gespräche mit Stromversorgern, um in betroffenen Regionen die Stromtarife zu senken.
Ausbautempo bundesweit zu gering
Bundesweit waren zum Ende des ersten Halbjahres 28.611 Windräder mit einer Gesamtleistung von 61,9 Gigawatt installiert. Ziel der Bundesregierung ist eine Gesamtleistung von 115 Gigawatt bis zum Jahr 2030. Der derzeitige Ausbau bleibt nach Branchenangaben hinter den Anforderungen zurück. Um auf den notwendigen Zubau zu kommen, müssten aus Genehmigungen umgesetzte Projekte werden. Auch wenn Entscheidungen der Bundesregierung zum Beispiel zur Verkürzung von Planungs- und Genehmigungsverfahren wirkten, seien weitere politische Maßnahmen notwendig, hieß es aus Branchenkreisen.