Nach dem versuchten Mordanschlag auf Donald Trump haben sowohl der frühere US-Präsident als auch der amtierende Staatschef Joe Biden Botschaften zur Mäßigung im aufgeheizten Wahlkampf verbreitet. Trump kündigte mit Blick auf den am Montag beginnenden Parteitag der Republikaner an, er werde – anders, als ursprünglich geplant – eine Rede halten, „die unser Land vereint“. Biden hatte zuvor in einer Ansprache dazu aufgerufen, die „Temperatur“ der politischen Auseinandersetzung zu „senken“.
Trump sagte der Boulevardzeitung „New York Post“, er habe bei der Republican National Convention (RNC) in Milwaukee ursprünglich eine „extrem harte Rede“ über die „schreckliche Regierung“ von Präsident Biden vorbereitet. Diesen Text habe er aber weggeworfen. Er wisse indes nicht, ob es möglich sei, das Land zu vereinen. Die Menschen in den USA seien „sehr gespalten“.
Trump und Biden hatten nach dem Anschlag miteinander telefoniert. Biden rief seinerseits in einer Fernsehansprache am Sonntagabend (Ortszeit) zur Mäßigung in der politischen Auseinandersetzung auf. „Wir alle haben eine Verantwortung, dies zu tun“, sagte Biden am Sonntag (Ortszeit) in einer Ansprache im Oval Office des Weißen Hauses. Die politische Debatte in den USA sei „sehr aufgeheizt“, es sei nötig, „die Temperatur zu senken“, sagte Biden. Die Politik dürfe „nie wortwörtlich ein Schlachtfeld“ sein.
Es war erst Bidens dritte Rede im Oval Office seit seiner Amtsübernahme. Darin verwies er auch auf die Erstürmung des US-Kapitols am 6. Januar 2021. Anhänger Trumps hatten damit auf dessen Wahlniederlage bei der Präsidentschaftswahl reagiert. „Wir können es nicht zulassen, dass diese Gewalt normalisiert wird“, sagte Biden. „Unsere Überzeugungen dürfen niemals in Gewalt ausarten.“
Trump hatte am Samstag (Ortszeit) um Haaresbreite einen Anschlag bei einer Wahlkampfkundgebung im Bundesstaat Pennsylvania überlebt. Der Ex-Präsident wurde angeschossen und dabei leicht am Ohr verletzt. Neben dem mutmaßlichen Schützen wurde auch ein Zuschauer – ein 50-jähriger Feuerwehrmann und Familienvater – getötet, zwei weitere Männer im Publikum wurden schwer verletzt.
Seine kurze, aber kraftvolle Ansprache im Oval Office hielt Biden ohne größere Pannen. Allerdings ersetzte er in „ballot box“, dem englischen Wort für Wahlurne, den vorderen Wortteil „ballot“ zwei Mal irrtümlich durch „battle“, zu Deutsch „Schlacht“. Der 81-jährige Amtsinhaber sieht sich seit seinem desaströsen Auftritt im TV-Duell gegen Trump im vergangenen Monat mit erheblichen Zweifeln an seiner geistigen und körperlichen Fitness konfrontiert.
Biden und Trump wollen bei der Präsidentschaftswahl am 5. November erneut gegeneinander antreten. Nach den Schüssen auf Trump haben einige Republikaner den Vorwurf erhoben, die Demokraten hätten die Tat mit extremer Rhetorik mitverschuldet.
Biden dürfte sich im Wahlkampf nun zunächst zurücknehmen. Der in den Umfragen zurückliegende Präsident hatte zuletzt versucht, mit scharfer Kritik an Trump von eigenen Schwächen abzulenken.
Die Republikaner dürften derweil im Wahlkampf die Darstellung einer politischen Verfolgung Trumps durch Bidens Regierung weiter verbreiten. Dazu bietet auch der Nominierungsparteitag Gelegenheit, bei dem sich der Rechtspopulist offiziell zum Präsidentschaftskandidaten küren lassen will. Trump traf am Montag zu der Veranstaltung in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin ein.
Es wird erwartet, dass Trump zum Auftakt der viertägigen Veranstaltung mit zehntausenden Anhängern möglicherweise bereits am Montag seinen Vizepräsidenten-Kandidaten verkündet und am Dienstag eine Rede zur Annahme seiner eigenen Kandidatur hält. Rund 50.000 Besucher werden zu dem Parteitag erwartet.
In seinem Onlinedienst Truth Social hatte der 78-jährige Trump am Sonntag seine Anhänger zur Einigkeit aufgerufen. Sie sollten „stark und entschlossen“ verhindern, „dass das Böse obsiegt“.
Unterdessen sicherte die zuständige Koordinatorin des US Secret Service, Audrey Gibson-Cicchino, zu, ihre Behörde sei „voll und ganz vorbereitet“, um die Sicherheit bei dem Parteitag der Republikaner zu gewährleisten. Nach dem versuchten Mordanschlag auf Trump steht die für den Schutz amtierender und ehemaliger US-Präsidenten zuständige Behörde unter Druck. Unter anderem muss sie sich Fragen gefallen lassen, wieso der Schütze unbehelligt auf ein rund 150 Meter von Trumps Rednerpult entferntes Dach steigen und von dort schießen konnte.
Laut der US-Bundespolizei FBI haben die Ermittler bislang keine „Ideologie“ hinter der Tat festgestellt. Medienberichten zufolge war der mutmaßliche Schütze Thomas Matthew Crooks als Wähler der Republikaner registriert, hatte aber auch für eine den Demokraten nahestehende politische Organisation gespendet. Frühere Mitschüler des 20-Jährigen beschrieben Crooks US-Medien zufolge als stillen Jungen, der oft gemobbt worden sei.
Tatwaffe war laut FBI ein legal erworbenes halbautomatisches Gewehr vom Typ AR-556, das vermutlich von Crooks‘ Vater gekauft worden war. Im Auto des mutmaßlichen Schützen fanden die Ermittler zudem explosives Material.