Der neue Europameister feiert – und wie. Im Titelrausch blicken die spanischen Jungstars schon weit voraus. Bei den englischen Verlierern stellen sich gleich mehrere Fragen.
Die spanische Titelparty mit dem König begann noch auf dem Rasen des Berliner Olympiastadions – und soll erst spät an diesem Montag in Madrid enden. Die neuen Europameister feierten nach dem 2:1 (0:0) gegen die am Ende bitter enttäuschten Engländer ausgelassen. „Oh mein Gott. Was für ein Tag. Wahrscheinlich der schönste Tag meiner Fußball-Karriere“, sagte Rodri, der zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde.
Der spanische König Felipe VI. und Tochter Sofía hatten erst auf der Ehrentribüne mitgefiebert und waren dann zur Übergabe des EM-Pokals runter zu den Spielern gekommen. Noch am Abend veröffentlichte der spanische Verband den Zeitplan für die Fans: Die Auswahl von Trainer Luis de la Fuente soll um 14.10 Uhr auf dem Flughafen Madrid landen. Von dort geht es Richtung Rathaus, wo ab 20.00 Uhr mit Zehntausenden Menschen gefeiert werden soll. Ende offen.
Schon Mitternacht? Kein Problem!
„Ich bin stolz und glücklich“, sagte de la Fuente spät am Sonntagabend – die Zeit war aber kein Problem. „Mitternacht ist eigentlich recht früh“, sagte der Nationaltrainer mit Blick auch auf die Heimat. Die Menschen in Spanien hätten „jeden Grund, jetzt rauszugehen und zu feiern. Ich freue mich, dass die Leute da sind.“ Da sei auch niemand sauer, wenn jemand zu spät zur Arbeit komme. Die Arbeitgeber würden ja „auch feiern“ wollen, sagte der Nationaltrainer.
Es sei ein „wunderbarer Tag für uns“, äußerte de la Fuente unmittelbar nach dem Schlusspfiff. „Meine Mannschaft hat verdient gewonnen. Danke an ganz Spanien für die Unterstützung. Man kann immer besser werden. Das ist vielleicht ein bisschen unser Geheimnis: Wir können immer besser werden.“
Auf dem Weg ins Finale hatte die Furia Roja die deutsche Nationalmannschaft im Viertelfinale aus dem Turnier geworfen. Marc Cucurella, der den Ball in der Verlängerung gegen die DFB-Auswahl im Strafraum an die Hand bekommen, damit aber keinen Strafstoß verursacht hatte, wurde auch im Finale lange von einigen Fans ausgepfiffen. Spät am Abend feierte der 25-Jährige überglücklich mit seinen Teamkollegen.
Würdige Nachfolger der großen Sieger
Bei den vergangenen Turnieren hatten die Spanier ihre Mühe damit gehabt, in die übergroßen Fußstapfen der Europameister und Weltmeister von 2008, 2010 und 2012 zu treten. Spieler wie Xavi, Andrés Iniesta und Fernando Torres hatten eine Ära geprägt. Zwölf Jahre nach dem dritten EM-Titel jubelten in Berlin insbesondere auch der 17 Jahre alte Lamine Yamal und der 22-jährige Nico Williams, die das spanische Spiel während des Turniers geprägt hatten. Williams erzielte nach Vorlage von Yamal das Führungstor in der 47. Minute.
„Ein Traum ist wahr geworden. Ich freue mich schon, wenn ich zurück nach Spanien komme“, sagte Yamal, der am Samstag seinen 17. Geburtstag in Deutschland gefeiert hatte. „Am Anfang war es sehr schwierig. Wir haben es geschafft. Wir kämpfen immer weiter.“ Williams schaute konkret auf die WM 2026 in Kanada, Mexiko und den USA voraus: „Wir haben es uns verdient, auch unsere Freunde, die Fans. Hoffentlich geht es so weiter – auch bei der Weltmeisterschaft.“
Englands Fußballqual dauert an
Den Engländern blieb am Sonntag nichts als der stille Abschied. Wie vor drei Jahren im heimischen Wembley-Stadion gegen Italien reichte es im Endspiel nicht ganz. Zwar gelang Cole Palmer (73.) der zwischenzeitliche Ausgleich. Doch Mikel Oyarzabal (86.) ließ Spanien jubeln – nichts war es mit dem Ende der Leidenszeit des Wartens auf den zweiten großen Titel nach dem Sieg im WM-Finale 1966.
„Ein Finale zu verlieren, ist sehr, sehr hart“, sagte Nationaltrainer Gareth Southgate, der sich nur ausweichend zu seiner eigenen beruflichen Zukunft äußerte. Das sei jetzt nicht der Zeitpunkt, sagte der frühere Weltklasse-Verteidiger. Aufmunternde Worte gab es aus der Heimat von König Charles III. „Auch wenn Ihnen der Sieg heute Abend verwehrt geblieben ist, möchten meine Frau und ich Sie und Ihr Team mit meiner ganzen Familie auffordern, den Kopf hochzuhalten“, heißt es in einem bei X geteilten Schreiben des Königs an Southgate.
Für Verwunderung sorgte die frühere Auswechslung von Kapitän Harry Kane nach gut einer Stunde. Allerdings wirkte der Bayern-Star auch wie ein Fremdkörper im englischen Spiel. Kane sei mit einer Verletzung in das Turnier gegangen, sagte Southgate. Der Stürmer selbst, der auch persönlich weiter auf einen Titel warten muss, war sichtlich enttäuscht. „Es ist extrem schmerzhaft und wird noch lange wehtun“, sagte Kane.