Nachdem der Pirnaer Oberbürgermeister Regenbogenflagge und Hakenkreuz verglich, bekommt der CSD in Pirna Unterstützung aus der Großstadt. Hier erzählen drei Demonstranten, warum sie nach Pirna gereist sind.
Nachdem der Oberbürgermeister von Pirna die Regenbogenflagge mit dem Hakenkreuz verglich, rechnete das dortige queere Straßenfest mit viel Zulauf. Denn die queere Gemeinschaft und ihre Unterstützer stehen in Pirna unter Druck: Pirnaer berichten dem stern von Anfeindungen und einer Morddrohung.
Am Tag des Straßenfests zählt die Polizei dann eine Teilnehmerzahl „im niedrigen vierstelligen Bereich“. Damit konnte der CSD in Pirna deutlich mehr Menschen mobilisieren als im vergangenen Jahr. Die Teilnehmerzahl blieb aber hinter den Schätzungen des Veranstalters zurück. Der hatte mit mindestens 5000 Menschen gerechnet.
Noch weniger wären es ohne die zahlreichen Unterstützer aus der Großstadt gewesen. Hier erzählen drei von Ihnen, warum sie nach Pirna kamen.
Dragqueen Meryl Deep organisiert Bustour nach Pirna
„Ich musste in Köln einiges an Überzeugungsarbeit leisten, um genug Teilnehmer für meine Bustour zu finden. Viele waren erst skeptisch: Was, wenn dort Leute von der AfD stehen; wir beleidigt werden, es gewalttätig wird? Am Ende ist nichts davon passiert. Wir feiern heute ein sehr schönes Fest, bei dem wirklich jeder willkommen ist. Die Polizei sichert den Marktplatz von allen Seiten ab. Darüber bin ich sehr erleichtert.
CSD Pirna Vorab-Reportage 8:23
Ich habe beschlossen, zum CSD in Pirna zu fahren, weil in Sachsen in wenigen Wochen gewählt wird. Pirna hat schon jetzt einen AfD-Bürgermeister, der die Regenbogenflagge mit dem Hakenkreuz verglichen hat. Leider ist er ja heute nicht da, sonst hätte ich gerne mal einen Kaffee mit ihm getrunken. Mich würde wirklich interessieren, warum er so über die Flagge denkt. In dem Gespräch wäre ich aber auf keinen Fall vorwurfsvoll oder provokant, denn das führt zu nichts.
Ohnehin sind wir nicht gekommen, um in Pirna zu provozieren. Es geht nicht darum, zu sagen: Hier sind wir Kölner, und wir zeigen euch jetzt mal, wie man richtig CSD feiert. Aber leider wird es kaum zu vermeiden sein, dass unsere Anwesenheit bei einigen ein Störgefühl auslöst. Das ist bei manchen leider da, sobald die queere Community kommt – aus meiner Sicht vollkommen zu Unrecht.“
Till, Kai, Christian und Tino (r.) kamen aus Dresden zum CSD in Pirna
© Valentin Dreher/stern
Tino aus Dresden nimmt queere Freunde mit
„Ich bin in der Nähe von Pirna aufgewachsen. Dort habe ich mich nie getraut, ich selbst zu sein. Während der Schulzeit habe ich mit fast niemandem über meine Sexualität geredet. Vor einigen Jahren bin ich dann zum Arbeiten nach Dresden gezogen. Für mich eine Befreiung: Nun habe ich viele queere Freunde. Drei davon habe ich heute mitgebracht.
Natürlich machen die hohen Wahlergebnisse der AfD auch uns in Dresden Angst. Aber in einer Kleinstadt wie Pirna spüren Jugendliche die Bedrohung durch die AfD viel direkter. Hier hat zuletzt jeder Dritte AfD gewählt. Queere Jugendliche müssen ihre Identität also fast zwangsläufig verstecken, wenn sie keine Ablehnung erfahren wollen. Denn sie wissen ja, dass es auch in der eigenen Familie, dem Bekanntenkreis AfD-Unterstützer gibt. Auch ich habe mit einigen aus meiner Familie keinen Kontakt mehr.
Über tausend Teilnehmer feierten in Pirna das queere Straßenfest
© Valentin Dreher/stern
Und dann ist da auch noch die Homophobie im Alltag: Auf dem Weg hierher wurden wir in der S-Bahn als ‚Drecksschwuchteln‘ beleidigt, von 12- oder 13-Jährigen. Aber mit solchen Kommentaren müssen wir leider immer rechnen.“
Fabian Grischkat, Moderator und queerer Aktivist, hatte seine Teilnahme am CSD Pirna schon seit Monaten geplant
© Valentin Dreher/stern
Aktivist Fabian Grischkat kam aus Berlin
„In Pirna habe ich auch kritische Stimmen über die Unterstützer aus der Stadt gehört. Einige sagen: Pirna kann so einen CSD auch alleine auf die Beine stellen. Aber die Kämpfe um unsere Vielfalt finden gerade an Orten wie Pirna statt, nicht in unserer Wohlfühlblase in Berlin Mitte. Deshalb applaudiere ich hier den Menschen, die sich gegen den Rechtsruck stemmen.
Als Westdeutscher habe ich früher das Vorurteil geglaubt: Eine ostdeutsche Kleinstadt kann doch niemals einen CSD auf die Beine stellen. Pirna zeigt heute, dass das Gegenteil der Fall ist. Ich hoffe, dass das ein paar hochnäsigen Berliner oder Kölner umstimmt.
Als ich in meiner Freundesgruppe erzählt habe, dass ich zum CSD nach Pirna fahre, haben viele gesagt: Pass bloß auf dich auf. Dabei gibt es auch in Köln Straßen, in denen queere Menschen nicht sicher sind. Auch dort ist rechtskonservatives Gedankengut bei einigen tief verankert. Ich passe deshalb in Pirna genauso auf wie in Köln oder Berlin.“