Eine junge TikTokerin stirbt während der Geburt an einer Fruchtwasserembolie, ihr Kind liegt im künstlichen Koma. Was löst diese seltene Komplikation aus? Und warum ist sie lebensgefährlich?
Die Fruchtwasserembolie ist – zum Glück – ein sehr seltenes Ereignis, bei dem Herz und Kreislauf der Mutter während oder kurz nach der Geburt versagen. „Da sich dieser Notfall nicht vorhersehen lässt, kommt leider oft jede Hilfe zu spät, sofern nicht die Intensivmedizin umgehend verfügbar ist“, sagt Wolfgang Paulus von der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Universität Ulm. Aufgrund der Seltenheit haben viele Geburtshelferinnen und -helfer kaum Erfahrungen im Umgang mit der Fruchtwasserembolie. In kleineren Einrichtungen treten allenfalls ein oder zwei Fälle pro Jahrzehnt auf, sagt der Mediziner mit dem Schwerpunkt Spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin und ergänzt: „Auch uns in der Universitätsmedizin flößt ein solches Ereignis großen Respekt ein!“
Wie entsteht eine Fruchtwasserembolie?
Die exakten Mechanismen sind nicht eindeutig geklärt. „Trotz ihres Namens hat die Erkrankung wahrscheinlich keinen direkten Bezug zur übergetretenen Fruchtwassermenge oder einer Embolie, also einem plötzlichen Verschluss eines Blutgefäßes“, sagt Paulus. Man geht davon aus, dass die Fruchtwasserembolie eine krankhafte mütterliche Reaktion auf fremdes Material wie Plazentagewebe, Fruchtwasser und kindliche Zellen ist, das in den mütterlichen Kreislauf eindringt, wenn Gefäße in der Gebärmutter während der Geburt einreißen.
TikTok-Star Tatjana Klingler stirbt bei Geburt 19:35
Was passiert durch das fremde Material im Blutkreislauf der Mutter?
Der Körper setzt Entzündungsbotenstoffe frei, die zu einer Kaskade von körperlichen Reaktionen führen: Die Funktion von Herz, Kreislauf und Lunge ist eingeschränkt. Die Lunge kann keinen Sauerstoff mehr aufnehmen, das Herz pumpt nicht richtig, sodass die Organe zu wenig Sauerstoff und Nährstoffe bekommen. Die Lungengefäße verengen sich; durch den erhöhten Widerstand fällt der Blutdruck ab. Außerdem wird das Gerinnungssystem auf fatale Weise aktiviert. Auf der einen Seite verstopfen Gerinnsel die Gefäße; andererseits lassen sich Blutungen, etwa Geburtsverletzungen, nicht mehr stillen.
Wie wirkt sich das auf das Baby aus?
Auch das ungeborene Kind ist gefährdet. Durch das Versagen des mütterlichen Herz-Kreislauf-Systems wird es nicht mehr ausreichend versorgt. Eventuell muss ein Notkaiserschnitt erfolgen und das Kind wiederbelebt werden. Wie gut ein Kind dieses dramatische Geschehen übersteht, hängt davon ab, wie lange es ihm an Sauerstoff mangelte und wie schnell es intensivmedizinische Hilfe bekommen hat.
Was sind die Risikofaktoren für eine Fruchtwasserembolie?
Die Ursachen sind nicht vollständig geklärt, aber einige Risikofaktoren sind bekannt:
höheres Alter der Muttereine MehrlingsschwangerschaftKomplikationen mit der Plazenta, wenn sie zum Beispiel nahe am Gebärmutterhals liegt oder besonders tief in die Gebärmutterwand eingewachsen istschnelle oder starke WehenKaiserschnitt, Zangen- oder Saugglockengeburt zu viel Fruchtwasser
Was sind die Anzeichen einer Fruchtwasserembolie?
Die ersten Symptome resultieren aus dem mütterlichen Sauerstoffmangel und den Herzproblemen:
plötzliche Atemnot, weil die Lungengefäße verengt sind und die Lunge nicht mehr richtig arbeitetBlutdruckabfall, der zum Kreislaufschock führt bläuliche Haut und Lippen aufgrund des SauerstoffmangelsSchmerzen oder Engegefühl in der Brust durch den Sauerstoffmangel des Herzens Herzstillstand
Die Anzeichen treten in der Regel sehr plötzlich auf.
Wie behandelt man eine Fruchtwasserembolie?
„Wir haben es mit einem sehr schwer zu behandelnden Krankheitsbild zu tun“, sagt Geburtsexperte Paulus. Auf jeden Fall ist die Fruchtwasserembolie ein medizinischer Notfall, bei dem Mutter und Kind sofort intensive Therapie brauchen: Beatmung, Medikamente, die den Kreislauf unterstützen sowie Gerinnungsfaktoren und Blutkonserven. Die Prognose über den Verlauf des Notfalls hängt davon ab, wie schnell die Fruchtwasserembolie erkannt und behandelt wird. Trotzdem reichen die Möglichkeiten der modernen Medizin in vielen Fällen nicht aus.