Schiedsrichter Felix Zwayer hat im EM-Halbfinale einen Elfmeter für England gepfiffen. Danach hagelte es Kritik von Experten und Spielern – zu Unrecht. Leider ist die Empörungsfolklore zu oft Selbstzweck.
Als Schiedsrichter ist man grundsätzlich die ärmste Sau. Niemand weiß das besser als die Betroffenen selbst. Unparteiische sind permanenter Kritik ausgesetzt. Spieler, Trainer, Experten, Fans – alle wissen es besser. Jüngstes Beispiel: die Elfmeter-Entscheidung des deutschen Schiedsrichters Felix Zwayer im EM-Halbfinale zwischen England und den Niederlanden. Zwayer hatte den Einsatz des niederländischen Verteidigers Denzel Dumfries gegen Harry Kane zunächst nicht als Foul gewertet. Dumfries hatte einen Schussversuch des englischen Angreifers mit offener Sohle geblockt. Dann schritt der VAR ein, Zwayer schaute sich die strittige Szene auf dem Monitor an und entschied auf Strafstoß – und das vollkommen zu Recht. Es war ein klares Foul.
Nach dem Schlusspfiff entspann sich die übliche Empörungsfolklore. Dass sich niederländische Profis wie Kapitän Virgil van Dijk und Trainer Ronald Koeman nach der 1:2-Niederlage über Zwayers Entscheidung beschwerten, ist noch verständlich. Zweifelhafter sind da schon Äußerungen wie die des ehemaligen niederländischen Nationalspielers Pierre van Hooijdonk. Der forderte, Zwayer auf eine „schwarze Liste“ zu setzen. Sogar englische TV-Experten meldeten sich zu Wort: Ex-Nationalspieler Gary Neville nannte den Pfiff eine „Schande“.
Elfmeterpfiff von Felix Zwayer: Der Streit darüber ist so alt wie der Fußball selbst
Ähnlich scharf urteilte der frühere deutsche Schiedsrichter Manuel Gräfe, der schon vor dem Spiel vor dem Einsatz von Zwayer (aber aus anderen Gründen) gewarnt hatte. Gräfe sah sich voll und ganz bestätigt und bescheinigte dem ehemaligen Kollegen Inkompetenz. Dazu muss man wissen, dass Gräfe seit einem unfreiwilligen Karriereende wegen Erreichen der Altersgrenze 2021 im Streit mit dem DFB liegt und den Verband verklagt. Seitdem besteht seine Hauptbeschäftigung darin, als eine Art Fundamentalkritiker die Ex-Kollegen in die Pfanne zu hauen.Niederland – England 06.32
Nun ist die Aufregung um solche Entscheidungen so alt wie der Fußball selbst. In anderen Fällen lassen sich tatsächlich wohlbegründete Debatten führen. Das nicht geahndete Handspiel des Spaniers Marc Cucurella im Viertelfinale gegen Deutschland ist so ein Beispiel. Egal, wie man die Sache betrachtet, hat die erregte die Debatte ihren Grund in der schwammigen Handspiel-Regel, die viel Interpretationsspielraum zulässt und damit viele Gründe für handfesten Streit liefert.
Im Fall Dumfries liegen die Dinge anders. Die Sachlage ist eindeutig, die Elfmeterentscheidung war korrekt. Der Verursacher selbst ließ daran keinen Zweifel. „Es gibt den Kontakt mit Kane, also weiß man auch, dass der Schiedsrichter den Elfmeter geben kann“, sagte Dumfries nach der Partie. So wird die Kritik selbsternannter Experten als das entlarvt, was sie in Wahrheit ist: reiner Selbstzweck. Leider nervt das gewaltig.