Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock möchte nun doch nicht mehr Kanzlerin werden. Ach was?!
Annalena Baerbock will nicht erneut als Kanzlerkandidatin für die Grünen antreten. Für sehr viele Menschen dürfte dieser schlichte Satz eine absolute Nicht-Nachricht sein. Annalena Baerbock hat ihn jetzt trotzdem gesagt. Und es wurden trotzdem Eilmeldungen dazu verschickt.
Warum eigentlich?
Dass ihre letzte Kandidatur besonders erfolgreich verlaufen wäre, lässt sich selbst mit quasi historischem Abstand kaum behaupten. In den knapp fünf Monaten zwischen ihrer damaligen Nominierung als erste Kanzlerkandidatin der Grünen und der Bundestagwahl hat sie den Wert ihrer Partei fast halbiert – von 28 Prozent in April-Umfragen auf 14,8 Prozent im Wahlergebnis. Dazwischen lagen ein paar verrutschte Auftritte, ein aufgepimpter Lebenslauf, ein hastig zusammenkopiertes Buch (das eigentlich als Ausweis für Höheres bestimmt war) und vor allem ein miserables Krisenmanagement. Platz drei reichte immerhin zur Außenministerin.
Warum beim Nato-Gipfel?
Als solche befindet sich Baerbock gerade in Washington, wo sich die Lenker der Nato-Staaten zum 75. Jubiläum treffen, wo es um die Zukunft des Verteidigungsbündnisses geht, um Krieg und Frieden in Europa und der Welt, um die Fitness des leader of the free world Joe Biden. Worum es gar nicht geht: die Spitzenkandidatur für eine deutsche 11-Prozent-Partei bei einer Wahl, die in über einem Jahr stattfinden soll.
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Warum Baerbock der Welt ihre Entscheidung trotzdem ausgerechnet dort verkünden musste, ausgerechnet in einem TV-Interview mit CNN? Sie hätte die lange, umständliche Frage von Reporter-Legende Christiane Amanpour, ob sie erneut für das Amt des German Chancellors kandidieren wolle, ganz einfach abmoderieren können. So wie sie und alle anderen Grünen das in den letzten Monaten mit größter Routine getan haben: … nicht der Augenblick … gemeinsam beraten … zu gegebener Zeit … Ende der Durchsage.
Dass Baerbock genau das Gegenteil getan hat – bewusst, auch in Zeit und Ort – dass sie diese News quasi der gesamten Welt mitteilen musste, wirkt mindestens eitel. Wie eine seltsame Selbstüberhöhung.
Annalena Baerbock hat keine Zeit für eine Kanzlerkandidatur
Dieser Verdacht erhärtet sich, noch während man ihrer Begründung lauscht. Denn, so erklärt sie in flüssigem Englisch, in diesen „extremen Zeiten staatspolitischer Verantwortung“ bedeute es für sie als Außenministerin: „Statt in einer Kanzlerkandidatur gebunden zu sein, meine Kraft weiterhin voll und ganz meiner Aufgabe zu widmen, Vertrauen, Kooperation und verlässliche Strukturen zu bilden – für und mit so vielen Partnern weltweit und in Europa, die darauf bauen.“Umfrage Kanzlerkandidatur Grüne 6.05
Mit anderen Worten: Ich muss nur noch schnell die Welt retten. Für solch profane Dinge wie eine Kanzlerkandidatur habe ich gar keine Zeit.
Das können dann ja nun andere übernehmen, Menschen, deren Job nicht ganz so wichtig ist wie der ihre. Menschen, die das schon immer gern tun wollten, die sich in den letzten Monaten immer wieder, immer lauter selbst ins Spiel brachten, um dann wenigstens beim medialen Kanzler-Duell mitmischen zu dürfen. Die generöse Frau Baerbock hilft sicher hin und wieder gerne. Wenn es die Zeit zulässt.