Pauschalurlaub gilt als spießig, unoriginell und das Gegenteil von hip. Na hoffentlich, sagt unsere Autorin. Ein Plädoyer für mehr Entspannung – schon bei der Reiseplanung.
„Und, was machst du so in den Sommerferien?“ Wer schon mal mit hippen Großstadtmenschen zwischen 27 und 53 Jahren im neuen In-Lokal brunchen war und bei Hafermilch-Cappuccino und Shakshuka anstehende Urlaubspläne besprochen hat, weiß, dass es auf diese Frage sozial genehme und komplett inadäquate Antworten gibt.
Wer das „Richtige“ sagen will, faselt irgendwas von Techno-Festivals, Camper-Touren oder dreiwöchigen Workations in Los Angeles oder Mexico City. Kurz gesagt: Von Reisen, die mit Erholung wenig bis gar nichts zu tun haben, aber so interessant klingen, dass ein neidvolles „Mega nice, das wollte ich auch schon ewig machen“ als Reaktion des Umfeldes sicher ist. Und wer sich sozial ins Abseits schießen will, gibt zu, in Ermangelung von Energie, Zeit und Geld einfach einen Pauschalurlaub gebucht zu haben.
Wer sich sozial ins Abseits schießen will, bucht einen Pauschalurlaub
Dabei ist doch nichts sinnvoller! Datum eingeben, Vorlieben filtern (Hauptsache Strand in der Nähe), Abflugzeiten checken, „jetzt sofort buchen“ klicken, fertig. Und schon könnte man sich auf den Urlaub freuen, die lang ersehnte Auszeit vom hektischen Alltagsleben. Von den ein, zwei, vielleicht sogar drei Wochen im Jahr träumen, die seliges Nichtstun versprechen, na gut, bis auf hier und da einen Strandspiel-Wettbewerb oder einen Alibi-Kulturausflug in den nächstgelegenen Ort, um Ansichtskarten zu kaufen, die man doch nie schreibt.
Man könnte sich freuen. Wenn da eben nicht die schiefen Blicke wären, die Pauschalurlaub-Scham, die in privilegierten Szenekreisen bisweilen schwerer wiegt als jede Flugscham. Pauschalurlaub wird als spießig und unoriginell abgetan, als Urlaubskonzept für alle, die ihr Freizeitleben so unambitioniert angehen, dass sie wie Millionen andere Deutsche sind, die sich vom Flughafen in überfüllte Hotelbunker karren lassen, in riesigen Speisesälen vor Buffets mit schwitzenden Käsescheiben landen und sich um Pool-Liegen streiten, und das alles nur, weil sie bei der Urlaubsplanung nicht mehr als eine Frage entscheiden wollten: Halbpension oder All-Inclu? Interview Juergen Schmude 14:26
Es gilt als uncool und geradezu apathisch, Urlaub nach Bequemlichkeit zu planen; zumindest als der „persönlichen Weiterentwicklung“ nicht zuträglich, arbeitsfreie Zeit so sorglos zubringen zu wollen wie ein Kindergartenkind, das sich zu keiner Minute des Tages um irgendwas selbst kümmern muss. Also rechtfertigen sich Menschen, die pauschal urlauben, aber in ihrer Ferienidentität doch nicht in einen Topf mit Sparfuchs-Rentnerhorden und Ballermann-Rowdies geschmissen werden wollen, für ihre „Hey, ab in den Süden“-Pläne. Zumindest beim Brunch im Szene-Café. Da heißt es dann: „Wir planen sonst immer individuell, ist eine absolute Ausnahme“. Oder: „Wir machen das nur wegen der Kinder.“ Oder: „Wir hatten keine Zeit, was Größeres zu planen, zu viel zu tun im Job.“ Oder: „Wir sind aber in einem ganz kleinen Adults-only-Hotel abseits der Touri-Gegend, Geheimtipp!“ Es muss eine Erklärung her, warum man „freiwillig“ Urlaub macht wie Loriot in der Bettenburg „Grand Paradiso“. Und dann wird ein hoffnungsvoller Blick in die skeptischen Gesichter von #travelgram-Aficionados und Bali-Liebhabern geschickt und auf Gnade des Urlaubstribunals für die allzu basic wirkenden Urlaubspläne gehofft.
Reiseplanung muss nicht Social-Media-tauglich sein
Ganz ehrlich: Wie traurig ist das! Ja, Massentourismus bringt eine Menge Probleme für die Umwelt mit sich – aber Individualurlaub genauso. Es gibt also kaum einen unangebrachteren, klassistischeren Coolness-Reflex, als Menschen für den oft so mühsam erarbeiteten Urlaub abzusnobben. Genauso absurd ist es, sich dafür zu rechtfertigen, dass die Reiseplanung nicht ausreichend Social-Media-tauglich, nicht individuell und nicht abenteuerlich genug zu sein scheint.
STERN 26_24 Heftfrage FTI 18.16
Who cares, wo man sich von der Gesamtsituationerholt? Es ist Zeit, die eigenen Privilegien zu checken. Wer die Möglichkeiten und Ressourcen für ein paar Wochen Sorglosigkeit im Jahr aufbringen kann, steht schon mal auf der eher sonnigen Seite der Poolterrasse, äh, des Lebens. Der aktuellen Erhebung eines Vergleichsportals zufolge haben sich Pauschalreisen im Vergleich zum Vorjahr um rund acht Prozent verteuert – pro Person und Tag muss man im Schnitt mit 114 Euro Urlaubsbudget rechnen. Die Preise für Individualflüge zur Urlaubszeit sind um ganze elf Prozent gestiegen.
Urlaub ist teuer und ein Privileg – und es gibt absolut keinen Grund, sich dafür zu entschuldigen, dass man dieses Privileg in vollen Zügen genießen möchte.