Bericht vom Nato-Gipfel: „Sie haben Bidens Verfall gesehen“: Staatschefs wegen US-Wahl „zutiefst besorgt“

Die Fitness von Joe Biden beschäftigt einem Politikexperten zufolge auch die internationalen Gesprächspartner des US-Präsidenten. Und das nicht erst seit Bidens Duell-Debakel.

Die Zweifel in den USA an der Amtstauglichkeit von Präsident Joe Biden sind auch den Teilnehmern des Nato-Treffens zum 75-jährigen Bestehen der Allianz in Washington nicht entgangen. Und viele von ihnen teilen sie offenbar. „Sie glauben nicht, dass er weitere vier Jahre im Amt bleiben kann, und ich kann sagen, dass dies auf alle politischen Anführer zutrifft, mit denen ich mich auf dem Nato-Gipfel getroffen habe“, berichtete Ian Bremmer, Gründer und Präsident der Beratungsfirma Eurasia Group sowie Initiator des Global Political Risk Index an der Wall Street, am Dienstag im US-Sender MSNBC. 

Bremmer pflegt beste Kontakte in die hohe internationale Politik und hat nach eigener Aussage auf der dreitägigen Jubiläumsveranstaltung in der US-Hauptstadt mit mehreren Staats- und Regierungschefs über Biden gesprochen. „Es ist nicht so, dass sie ihn nicht mögen“, betonte der Politikexperte. Doch sie seien „zutiefst besorgt“. Dabei spiele es keine Rolle, ob sie dem linken oder dem rechten Flügel ihres jeweiligen politischen Spektrums angehörten. Bidens Alterserscheinungen seien für die anderen Politiker auch nichts Neues, erklärte Bremmer.Diese hätten bereits beim G7-Gipfel im Juni in Italien davon berichtet und auch darüber gesprochen, als sie sich mit dem Präsidenten in der Normandie trafen.PAID Trump schweigt zum Biden-Chaos 09.17

Biden war Anfang Juni für mehrere Tage auf Staatsbesuch in Frankreich, um an den Gedenkfeiern zum 80. Jahrestag der Alliierten-Landung in der Normandie teilzunehmen. Mitte des Monats hatte der Präsident sich dann mit den Staatschefs der anderen G7-Staaten in Italien getroffen.

Nato-Partner zweifeln Bidens Wahlkampftauglichkeit an

Mehr als andere Länder auf der Welt seien die Nato-Staaten beunruhigt über die möglichen Folgen eines Wahlsieges und einer erneuten Präsidentschaft von Donald Trump, berichtete Bremmer weiter. Grund sei die erklärte Politik des Republikaners gegenüber Russland und der Ukraine sowie gegenüber der Nato und der Europäischen Union. „Sie glauben einfach nicht, das [Biden] den Anforderungen gewachsen ist. Sie glauben zunehmend, dass er verlieren wird.“Infobox US-Wahl-NL

Auf die Frage von MSNBC-Moderatorin Katy Tur, ob Biden hinter den Kulissen irgendetwas tun könne, um die besorgten Verbündeten davon zu überzeugen, dass er „noch immer der Kerl ist, der gewinnen kann“, antwortete Bremmer:  „Nochmals: Sie wollen, dass er gewinnt. Okay, ich meine, vielleicht nicht Viktor Orban in Ungarn, aber die große, die überwiegende Mehrheit der ausländischen Anführer, die gerade hier in Washington sind, wollen, dass Biden gewinnt.“

Es sei nicht so, dass die Staats- und Regierungschefs befürchteten, Biden sei aktuell unfähig, sein Präsidentenamt auszuüben, stellte Bremmer klar. „Sie denken nicht, dass Biden zurücktreten müsste. Das habe ich von niemandem gehört. Was ich aber gehört habe, ist, dass er auf keinen Fall in der Lage sein wird, seinen Wahlkampf für weitere vier Monate erfolgreich fortzusetzen, geschweige denn, danach vier weitere Jahre zu bewerkstelligen.“

„Sie haben den Verfall gesehen“

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz Ende Februar hätten die Staats- und Regierungschefs seiner Ansicht nach noch an einen Wahlsieg Bidens geglaubt, sagte Bremmer. In den vergangenen Monaten seien ihre Zweifel jedoch gewachsen. Und mittlerweile glaubten sie mehrheitlich, dass er verlieren werde.

„Das liegt daran, dass sie in den letzten ein, zwei Jahren immer wieder Zeit mit ihm verbracht haben“, erklärte Bremmer. „Sie haben den Verfall gesehen. Sie haben gesehen, wie er langsamer geworden ist, und zwar nicht nur körperlich langsamer. Anzeichen für Bidens Alterung sei zum Beispiel die Wiederholung der gleichen Anekdote während eines einzigen Treffens. „Ich habe das heute von einem führenden Politiker der Welt gehört“, erzählte der Experte. Ein weiterer Hinweis sei das Nichterkennen von jemandem, den er sehr gut kenne, wenn der auf ihn zukomme und sich vorstelle.Älteste Staatsoberhäupter der Welt 15:07

Das Weiße Haus hatte bereits vor dem Nato-Gipfel Berichte dementiert, wonach die anderen 31 Nato-Länder besorgt seien über die Amtstauglichkeit des US-Präsidenten. Für solche Sorgen der Verbündeten sehe die Regierung „keinerlei Anzeichen“, hieß es aus Washington. Biden hatte in dem TV-Duell gegen Trump vor knapp zwei Wochen fahrig und abwesend gewirkt und sich mehrfach bei seinen Aussagen versprochen und verheddert. 

Quellen: MSNBC