US-Präsident Joe Biden hat sich zum Auftakt des Nato-Jubiläumsgipfels kämpferisch gezeigt – seine Rede vor den versammelten internationalen Verbündeten war nicht zuletzt an das heimische Publikum gerichtet und sollte die Zweifel an seiner mentalen Befähigung für das Präsidentenamt eindämmen. Bei einem Treffen von Bidens Demokraten im Repräsentantenhaus gab es derweil am Dienstag keine Anzeichen für breiten Widerstand gegen die von Biden angestrebte Kandidatur für eine zweite Amtszeit.
Der mit seinen 81 Jahren älteste Präsident der US-Geschichte sieht sich seit seinem desaströsen Auftritt Ende Juni im Fernsehduell mit seinem voraussichtlichen Wahl-Herausforderer Donald Trump mit einer heftigen Debatte in der eigenen Partei über seine geistigen Fähigkeiten konfrontiert. In seiner Rede in Washington zum 75-jährigen Bestehen der Nato sprach Biden dann energisch und weitgehend ohne Versprecher – allerdings las er die Rede im Unterschied zum TV-Duell von einem Teleprompter ab.
„Täuscht Euch nicht. Die Ukraine kann und wird (Kreml-Chef Wladimir) Putin stoppen“, sagte Biden unter Applaus der versammelten Nato-Staats-und Regierungschefs. Der wirkliche öffentliche Test für Bidens mentale Robustheit wird allerdings erst am letzten Gipfeltag am Donnerstag kommen, wenn er eine seiner seltenen Pressekonferenzen gibt. Bei dem Termin wird Biden frei und spontan und ohne Hilfe eines Teleprompters sprechen müssen.
Biden und sein Umfeld sind seit dem TV-Auftritt intensiv bemüht, die Debatte bei den Demokraten um seine Eignung für die Wahlschlacht gegen Trump und eine zweite Amtszeit abzuwürgen, bevor sie sich zur offenen Rebellion ausweitet. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, sagte am Dienstag, sie glaube, dass die Demokraten nun „absolut“ geschlossen hinter Biden stünden.
„Wir wollen das Blatt wenden. Wir wollen die Sache hinter uns lassen“, sagte Jean-Pierre auf die Frage, ob Biden inzwischen annehme, dass die Krise hinter ihm liege. „Er will vorwärts gehen, die Partei vereinen“, sagte sie. Auch antwortete die Sprecherin bejahend auf die Frage, ob Biden bei einem Wahlsieg im November die vollen vier Jahre im Amt bleiben wolle.
Biden hatte zu Beginn der Woche in einem Fernsehinterview die Skeptiker in den eigenen Reihen herausgefordert, beim Nominierungsparteitag der Demokraten im August in der Abstimmung über den Präsidentschaftskandidaten gegen ihn anzutreten. Auch appellierte er in einem Brief an die Demokraten im Kongress, sich geschlossen hinter ihm als erneuten Präsidentschaftskandidaten zu vereinen.
Sieben Kongressabgeordnete der Demokraten riefen seit dem TV-Duell Biden öffentlich dazu auf, auf die Kandidatur zu verzichten. Bei einer nicht-öffentlichen Sitzung der demokratischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus am Dienstag blieb dann jedoch offensichtlich ein Aufstand gegen Biden aus. Anschließend gab es mehrere Solidaritätsbekundungen für den Präsidenten – die allerdings nicht sonderlich enthusiastisch klangen.
„Er sagt, dass er bleiben wird, er ist unser Kandidat, und wir werden ihn alle unterstützen – hoffentlich werden wir ihn alle unterstützen“, sagte der einflussreiche Abgeordnete Jerry Nadler, Obmann der Demokraten im Justizausschuss. Am Wochenende hatte Nadler laut US-Medienberichten noch in einer nicht-öffentlichen Konferenzschaltung die Ansicht vertreten, dass Biden auf die Kandidatur verzichten sollte.
Der Abgeordnete Mike Quigley, der sich öffentlich gegen die Kandidatur Bidens ausgesprochen hatte, blieb hingegen nach der Sitzung bei seiner Position: „Er muss sich zurückziehen, weil er nicht gewinnen kann.“
Ex-Präsident Trump griff unterdessen Biden bei einem Wahlkampfauftritt im Bundesstaat Florida massiv an. Er nannte den Präsidenten „korrupt, inkompetent und kognitiv beeinträchtigt“. Auch prangerte Trump eine vermeintliche „düstere Verschwörung“ an, mit der die US-Öffentlichkeit über „die kognitiven Fähigkeiten des Mannes im Oval Office“ getäuscht werden solle.
Der 78-jährige Trump soll kommenden Woche von seinen Republikanern bei einem Parteitag in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin offiziell zum Präsidentschaftskandidaten ernannt werden.