Selbst eigene Parteifreunde zweifeln inzwischen an Joe Biden. Doch Bundeskanzler Scholz steht zu ihm – Fitness hin oder her. Die deutschen Erwartungen an den Gastgeber des Nato-Gipfels sind hoch.
Die Debatte über den Gesundheitszustand von US-Präsident Joe Biden hält sich hartnäckig, doch Bundeskanzler Olaf Scholz steht beim Nato-Gipfel fest an der Seite seines Verbündeten. Vor dem Jubiläumstreffen der Staats- und Regierungschefs in Washington wischte Scholz Befürchtungen einer Überforderung des Gastgebers weg. „Nein, diese Sorge habe ich nicht“, sagte der Kanzler vor der Abreise.
Biden wollte mit dem scheidenden Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg den Gipfel zum 75. Geburtstag des Bündnisses feierlich eröffnen – sein erster Auftritt im Rampenlicht des dreitägigen Treffens.
Er wisse aus vielen Gesprächen mit Biden, dass dieser den Gipfel gut und präzise vorbereitet habe. „Viele der Entscheidungen, die jetzt dort getroffen werden und vorbereitet sind, sind ja im engsten Einvernehmen zwischen Deutschland und den USA entwickelt worden“, sagte Scholz. „Insofern wird das auch ein sehr erfolgreicher Gipfel sein.“
Die Nato feiert bei dem dreitägigen Treffen ihren 75. Geburtstag. Dabei steht das auf 32 Alliierte gewachsene Bündnis vor ernsten Herausforderungen. Vor allem braucht es Garantien für eine stetige militärische Unterstützung der Ukraine, auch wenn Donald Trump, der republikanische Kontrahent Bidens, bei der Präsidentenwahl im November gewinnen sollte.
Fitness des Gastgebers Biden dominiert Schlagzeilen in den USA
Der 81-jährige Biden kämpft um seine Präsidentschaftskandidatur. Er will für die Demokraten wieder ins Weiße Haus einziehen – auch nach dem verpatzten TV-Duell gegen Trump. Selbst in der eigenen Partei stellen viele Biden infrage.
Kurz vor dem Gipfel ging der Demokrat nochmals in die Offensive und schlug konfrontative Töne gegenüber Parteikollegen an. Biden wandte sich mit einem deutlichen Brief an die Demokraten im Kongress und rief – in einem für ihn ungewöhnlichen Schritt – bei einer Live-Sendung im US-Frühstücksfernsehen an.
Nach offenen Fragen zu Besuchen eines Spezialisten für die Parkinson-Krankheit im Weißen Haus veröffentlichte sein Arzt einen Brief, um den Präsidenten zu entlasten.
Scholz versteht Ärger um Verteidigungsausgaben nicht
Die Ampel-Regierung von Scholz hatte noch vor dem Gipfel einen Haushalt für 2025 auf die Beine gestellt. Der Posten für die Bundeswehr wächst um gut 1,2 statt der von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) angemeldeten 6,7 Milliarden Euro. Pistorius nannte das auf seinem Weg nach Washington ärgerlich.
Scholz machte nun noch einmal deutlich, dass er in dem Haushaltskompromiss der Ampel-Spitze eine ausreichende Finanzierungsgrundlage sieht. Zugleich richtete er den Blick über die Amtszeit der Koalition hinaus und bekräftigte die Zusage langfristig höherer Verteidigungsausgaben.
„Die Bundeswehr kann davon ausgehen, dass Deutschland eine Nato-Quote von zwei Prozent in den nächsten Jahren immer einhalten wird und deshalb kann sie auch in den ganzen 20er Jahren und in den beginnenden 30er Jahren Bestellungen wirksam werden lassen, die für die Sicherheit des Landes wichtig sind“, sagte Scholz. Der Verteidigungshaushalt soll nach seinen Vorstellungen von 2028 an – wenn das sogenannte Sondervermögen für die Bundeswehr verbraucht ist – auf 80 Milliarden Euro steigen.
Scholz: Ukraine so lange beistehen wie erforderlich
Scholz sicherte der Ukraine langfristige Unterstützung gegen den russischen Angriffskrieg zu. „Und es ist gut, dass wir das in den letzten Tagen noch einmal verstärkt haben mit einer ganz klaren Botschaft: Wir werden der Ukraine so lange beistehen, wie das erforderlich ist“, sagte Scholz und verwies auf Waffenlieferungen und die gemeinsame Initiative der wichtigsten Industriestaaten.
Die G7-Staaten hatten sich bei ihrem Gipfel in Italien darauf verständigt, mithilfe von Zinsen aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen ein Kreditpaket im Umfang von etwa 50 Milliarden US-Dollar (etwa 47 Mrd. Euro) zu finanzieren.
Scholz sagte, dies sei auch eine Botschaft an den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dieser könne nicht darauf setzen, „dass er diesen Krieg gewissermaßen aussitzt und wartet, bis die Unterstützung für die Ukraine nachlässt“.
Neulinge und Querulanten beim Gipfel
Schlagzeilen machte vor dem Gipfel Nato-Mitglied Ungarn. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban besuchte Putin in Moskau – und wurde dafür aus der EU scharf kritisiert. In einem Brief an seine Amtskollegen gab er nun Einblick in dessen Sicht auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine. In dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vorliegt, legt er die Sichtweise Putins auf den Krieg gegen die Ukraine dar.
Zum ersten Mal nach dem Beitritt nimmt Schweden an einem Nato-Gipfel teil. Unter dem Eindruck des am 24. Februar 2022 begonnenen Angriffskrieges Russlands hatten Schweden und auch Finnland ihre Neutralität aufgegeben.
Für Nato-Generalsekretär Stoltenberg wird es der letzte reguläre Gipfel vor dem Abschied sein. Er übergibt sein Amt zum 1. Oktober nach zehn Jahren an den früheren niederländischen Regierungschef Mark Rutte.