Nach der Haushaltseinigung der Koalitionsspitzen formiert sich Widerstand gegen die in einem Wachstumspaket geplanten Steuererleichterungen für ausländische Fachkräfte. „Das müssen wir uns nochmal genauer anschauen“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Dienstag im Deutschlandfunk. Er sei mit diesem Ampel-Vorhaben „nicht furchtbar glücklich, weil es zu Missverständnissen führen kann“. Zuvor beklagten Kritiker bereits eine Benachteiligung einheimischer Arbeitnehmer. Die FDP wies Heils Einwände in scharfem Ton zurück.
Der Steuerabschlag ist Teil des Pakets zur Wirtschaftsbelebung, den die Koalitionsspitzen am Freitag vorgelegt hatten. Er soll helfen, dringend benötigte Fachkräfte aus dem Ausland anzulocken. Konkret sieht die Einigung vor, dass für neu zugewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren 30, 20 und zehn Prozent des Bruttolohns steuerfrei sind. Dafür sollen Lohnunter- und -obergrenzen festgelegt werden.
Die Urheberschaft für diesen geplanten Steuerabschlag liege bei den Koalitionspartnern – Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sowie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), sagte Heil den Sendern RTL und ntv. Der Vorschlag sei zudem „luftig“ formuliert, kritisierte er. Es müsse ganz klar sein: „Die Arbeit in diesem Land muss gleich viel wert sein.“
Kritik an Heils Äußerungen kam vom Haushaltsexperten der FDP-Bundestagsfraktion, Christoph Meyer. „Die Äußerungen von Hubertus Heil bringen den Wirtschaftsstandort Deutschland kein Stück voran“, sagte Meyer der Nachrichtenagentur AFP. Steuerliche Anreize für Hochqualifizierte seien mittlerweile „in der halben EU ein Baustein zur Lösung des Arbeitskräftemangels“.
Unterstützung bekam Heil dagegen von Parteikollegen. „Manche Vorschläge verwundern mich schon sehr. Ich verstehe vollkommen, wenn das die Leute irritiert“, sagte Sachsens SPD-Sozialministerin Petra Köpping dem „Tagesspiegel“. „Ich halte von einer steuerlichen Besserstellung ausländischer Fachkräfte gar nichts.“
Ähnlich äußerte sich Thüringens Innenminister und Vize-Ministerpräsident Georg Maier (SPD). „Ich bin bei den Plänen, ausländische Fachkräfte steuerlich besser zu stellen, sehr skeptisch“, sagte Maier ebenfalls dem „Tagesspiegel“. „Das könnte gerade im Osten zu neuen Gerechtigkeitsdebatten führen.“ Der Vorsitzende des Arbeits- und Sozialausschusses des Bundestages, Bernd Rützel (SPD), nannte es „problematisch, wenn für die gleiche Arbeit unterschiedliche Steuern zu bezahlen sind“.
Auch die Opposition hatte scharfe Kritik an den Plänen geübt. CSU-Generalsekretär Martin Huber legte in der „Bild“-Zeitung mit Kritik nach und sprach von einer „skandalösen Bevorzugung“ von Zuwanderern. „Die Ampel spaltet und brüskiert die hart arbeitende Bevölkerung“, sagte Huber. „Es braucht Steuersenkungen für alle in Deutschland.“ Die CDU-Bundestagsabgeordnete Julia Klöckner warnte, die Pläne würden „sozialen Sprengstoff“ bergen.
Die AfD sieht die Pläne ebenfalls kritisch. Steuerrabatte für Ausländer seien „ein Schlag ins Gesicht der fleißigen deutschen Arbeitnehmer“, erklärte der Bundestagsabgeordnete Leif-Erik Holm.
Die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, hält das Vorhaben für ungenügend. Die besten Anreize helfen nichts, „wenn die bürokratischen Hürden zur Arbeitsaufnahme in Deutschland nicht schnell reduziert werden“, sagte sie der „Rheinischen Post“.
Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, sprach von einer „vorsätzlichen Ungleichbehandlung von aus- und inländischen Beschäftigten im Gewand von Anreizen“. Er schlug im „Handelsblatt“ stattdessen pauschale steuerliche Anreize für Menschen vor, die zum ersten Mal eine Arbeit aufnehmen.
Gegen die Pläne sprach sich auch die Deutsche Steuer-Gewerkschaft aus. Deren Vorsitzender Florian Köbler warnte in den Funke-Zeitungen vor „Steuerprivilegien“. „Es erscheint mir fraglich, ob solche Steuervorteile mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vereinbar wären“, sagte Köbler.
Reiner Holznagel vom Bund der Steuerzahler nannte es „problematisch, einseitig Steuerentlastungen zu organisieren“. „Den Arbeitnehmern am Fließband ist es egal, woher sie kommen, aber die Belastung insgesamt ist nicht egal“, betonte Holznagel in Berlin.