Verbreitet der Sonntagskrimi ein politisch verzerrtes Weltbild? Ein Gespräch mit dem „Tatort“-Star Joe Bausch über Klischees und Fehler in der Krimi-Serie.
Seit 27 Jahren gibt der (echte) Arzt und Schauspieler Joe Bausch im Kölner „Tatort“ den knorrigen Rechtsmediziner Joseph Roth. Im stern-Gespräch verrät er, wen er gern einmal spielen würde und was er vom Vorwurf hält, die Krimi-Serie verbreite falsche Klischees.
Herr Bausch, Ihren ersten „Tatort“-Auftritt hatten Sie 1985 in einem Schimanski-Krimi mit Götz George. Wie schwierig war es für Sie als Schauspieler, gleich neben einer Art Krimi-Nationalheld aufzutreten?
Gott sei Dank hatte ich schon Theatererfahrung. Aber es war natürlich trotzdem ein Hammer. Die Nacht vor dem ersten Drehtag habe ich kaum geschlafen und die Hotelbar leergetrunken. Als ich mit ordentlicher Fahne am Set ankam, bat mich Götz George in seinen Trailer. Ich dachte: Der riecht das doch sofort. Aber es stellte sich heraus, dass er auch eine Fahne hatte. Joe Bausch Bio
Am „Tatort“ wird oft kritisiert, dass etwa die Polizeiarbeit nicht akkurat dargestellt wird. Wie sehr haben Sie sich schon über die Darstellung von Rechtsmedizinern geärgert?
Wenn ich Vorträge halte oder Moderationen bei Arztkongressen mache, werde ich schon öfter angesprochen: „Sie sind doch einer von uns, Sie müssen dafür sorgen, dass dies oder das im ‚Tatort‘ korrekt dargestellt wird!“ Aber hey: Film ist „bigger than life“. Im „Tatort“ zeigen wir auch nie Untersuchungsrichter. Und wenn ein Polizist dort zum Rechtsmediziner sagt „Mach das mal hurtig bis morgen fertig“, muss ich auch immer lachen. Das würde sich im normalen Leben einer, der eine A9-Stelle mit Zulagen hat, niemals trauen gegenüber jemandem mit C4-Stelle.
Das ärgert Sie gar nicht?
Nein. Nur eine Sache hat mich gestört. Dass die Rechtsmediziner im „Tatort“ immer so viel schlechter angezogen waren als die Polizisten. Die traten teils in Armani und feinen Lederschuhen auf. Ich habe dann einfach meine eigenen Klamotten mitgebracht. Glücklicherweise hat sich das auch mit dem Münster-„Tatort“ geändert.
„Das hat nichts mit einem linken Weltbild zu tun“
Ein anderer Kritikpunkt: Der „Tatort“ zeige zu oft ein eher links gefärbtes und verzerrtes Weltbild. In dem etwa Unternehmer immer die Bösewichte sind. Ist da was dran?
Das hat nichts mit einem linken Weltbild zu tun, sondern mit der Dramaturgie. Ein Verbrechen im Milieu der Schönen und Reichen ist einfach spannender und überraschender als bei Menschen, die ohnehin schon arm dran sind. Weil bei Ersteren die Fallhöhe größer ist. Deshalb werden auch Chefärzte gern als Mörder genommen. Und dann steckt natürlich noch eine beruhigende Botschaft für die Zuschauer dahinter: Bleib lieber bei deinen Leisten, dann passiert dir auch nichts. joe-bausch-interview 9.08
Aber bei dieser Botschaft muss Ihnen doch die Galle hochkommen?
Natürlich! Mit diesem Postulat bin ich ja selbst erzogen worden: Der Blitz schlägt nur in die höchsten Bäume. Wag dich nicht zu hoch hinaus. Die Götter strafen jeden, der sich zu nah an die Sonne wagt. Was für eine gequirlte Scheiße! Ich wäre nie da, wo ich heute bin, wenn ich mich von diesen Glaubenssätzen nicht gelöst hätte.
„Nur die Leiche zu sein, fände ich langweilig“
Würden Sie im „Tatort“ auch gern mal etwas anderes spielen als den Rechtsmediziner? Das Mordopfer zum Beispiel?
Nur die Leiche zu sein, fände ich langweilig. Ein Mordopfer würde ich dann nur spielen wollen, wenn man vorher sehen würde, dass das ein Arschloch mit Geschichte ist. Aber grundsätzlich wäre ich gern mal der Bösewicht. Mit solchen Rollen habe ich im Theater angefangen. Man kann mit ihnen auch die eigenen Untiefen ausloten. Das macht schon mehr Spaß als so ein rechtschaffener Rechtsmediziner Joseph Roth.