War eine Ohrfeige Auslöser für den Tod eines Mannes in Kiel? Ein 25-Jähriger muss sich in dem Fall erneut wegen Mordes vor dem Landgericht Kiel verantworten. Darum geht es.
Der gewaltsame Tod eines 31-Jährigen im Kieler Stadtteil Gaarden beschäftigt ein zweites Mal das Landgericht der Fördestadt. Wegen Mordes muss sich ein mittlerweile 25-Jähriger seit Montag für die tödlichen Schüsse vom Juni 2022 verantworten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das erste Urteil vom April 2023 weitestgehend aufgehoben, lediglich das äußere Tatgeschehen hat demnach Bestand.
Der Vorsitzende Richter verlas am ersten Verhandlungstag in Teilen die Urteilsbegründung der Schwurgerichtskammer und den Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH). Der Verteidiger kündigte an, dass sich sein Mandant vorerst nicht zur Sache äußern wird. Stattdessen verlas das Gericht Einlassungen des Angeklagten aus der Urteilsbegründung des ersten Prozesses. Der Mann gestand damals die Schussabgabe, er habe aber nicht aus Rache gehandelt. Das schreckliche Geschehen tue ihm leid. Der Angeklagte ist albanischer Staatsangehöriger.
Erstes Urteil
Eine andere Kammer des Landgerichts hatte den Angeklagten im April 2023 wegen Totschlags zu zwölf Jahren verurteilt. Anders als Staatsanwältin und Nebenklage wertete das Schwurgericht die Tat jedoch nicht als Mord, sondern als Totschlag.
Laut Bundesgerichtshof ist der Ausschluss des Mordmerkmals Heimtücke durch das Landgericht zwar nicht abzulehnen. Das Gericht müsse aber das Mordmerkmal niedrige Beweggründe insgesamt neu prüfen. Demnach geht es in dem neuen Prozess vor der 1. Großen Strafkammer nicht mehr um die Tatumstände selbst, das sogenannte äußere Tatgeschehen, sondern nur um die Motivation.
Wenige Stunden vor der Tat am 27. Juni 2022 hatte es eine Auseinandersetzung zwischen dem Halbbruder des Angeklagten und dem Opfer gegeben. Das spätere Opfer hatte sich daran gestört, dass eine Gruppe auf einem Parkdeck Cannabis rauchte. Bei dem folgenden Streit bekam der jüngere Halbbruder des Angeklagten eine Backpfeife. Daraufhin habe der Angeklagte den Entschluss gefasst, sein Opfer aus Rache für die Ohrfeige gegen den Bruder zu töten, sagte Oberstaatsanwalt Achim Hackethal. Er habe unbemerkt von den anderen eine scharfe Pistole eingesteckt und gemeinsam mit Zeugen das Opfer aufgesucht. Am Abend fanden sie den 31-Jährigen schließlich arg- und wehrlos auf einer Bank vor der Wohnanlage sitzend vor.
Schüsse aus kurzer Distanz
Laut Anklage stellte der 25-Jährige das Opfer zur Rede und zog im Abstand von weniger als zwei Metern die Pistole. Der 31-Jährige soll dann sinngemäß gesagt haben, dass er doch schießen solle oder ob der Angeklagte glaube, dass er Angst habe. Das Opfer wurde aus nächster Nähe von mindestens vier Schüssen getroffen. Zwei durchschlugen den Brustkorb und waren tödlich. Das Opfer erlag kurze Zeit später im Krankenhaus seinen Verletzungen.
Nach Überzeugung der Richter in dem ersten Verfahren war das Opfer jedoch nicht arg- und wehrlos gewesen, als der Angeklagte an ihn herantrat. Bei der Vorgeschichte beider Männer sei zumindest eine erhebliche Auseinandersetzung zu erwarten gewesen. Nur ein bis zwei Wochen vor der Tat soll das spätere Opfer dem Angeklagten gegenüber ein Betretungsverbot für den Stadtteil Gaarden ausgesprochen und ihm angedroht haben, dass sonst etwas passieren würde. „Dieser Konflikt war möglicherweise noch nicht beigelegt“, so der BGH.
Wie geht es weiter?
Für den neuen Prozess sind bislang sieben weitere Verhandlungstage angesetzt. Der nächste Verhandlungstag ist für den 29. Juli geplant. Dann will das Gericht die ersten Zeugen befragen. Ein Urteil könnte demnach am 9. September fallen.