Im Iran hat der reformorientierte Kandidat Massud Peseschkian die Stichwahl um das Präsidentenamt gewonnen – die Auswirkungen auf den Kurs des Landes sind aber unklar. Der Befürworter besserer Beziehungen zum Westen erhielt nach Angaben der Wahlbehörde rund 54 Prozent der Stimmen und siegte so über den ultrakonservativen Kandidaten Said Dschalili. Die wahre Macht im Iran liegt allerdings beim geistlichen Führer Ayatollah Ali Chamenei, der am Samstag umgehend „Kontinuität“ anmahnte.
Peseschkian erklärte nach seinem Sieg, die Wahl sei der Beginn einer „Partnerschaft“ mit dem iranischen Volk. „Der schwierige Weg, der vor uns liegt, wird nur durch Ihre Begleitung, Ihr Einfühlungsvermögen und Vertrauen zu bewältigen sein“, schrieb der 69-jährige Wahlsieger im Onlinedienst X. „Ich reiche Ihnen meine Hand.“
Die Beteiligung an der Stichwahl lag laut Wahlbehörde bei 49,8 Prozent. Vor dem Urnengang am Freitag hatte Ayatollah Chamenei noch die rund 61 Millionen Wahlberechtigten dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Zuvor war die Beteiligung bei der ersten Runde mit 40 Prozent historisch niedrig. Chamenei wertete dies jedoch entgegen der Meinung von Beobachtern ausdrücklich nicht als Akt „gegen das System“.
Nach dem Sieg von Peseschkian erklärte das geistliche Oberhaupt, der Wahlsieger solle den „Weg des Märtyrers Raisi fortsetzen“ – damit nahm er Bezug auf den im Mai bei einem Hubschrauberabsturz verstorbenen ultrakonservativen Präsidenten Ebrahim Raisi. Chamenei rief Peseschkian zudem auf, für die Lebensqualität und den Fortschritt im Iran die „vielen Fähigkeiten“ des Landes zu nutzen, besonders die „revolutionäre und gläubige Jugend“. Der geistliche Führer ist der politische Lenker des Landes, dem Präsidenten obliegt die Ausführung der von Chamenei festgelegten Leitlinien.
Peseschkian hatte sich im Wahlkampf für eine Lockerung der Internet-Beschränkungen im Land ausgesprochen. Er erklärte auch, er sei gegen die Polizeikontrollen zur Kopftuchpflicht für Frauen und sprach sich gegen die Anwendung von Gewalt bei den Kontrollen aus. Bereits zuvor hatte er das Vorgehen der Behörden während der landesweiten Massenproteste kritisiert, die durch den Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini im September 2022 nach ihrer Festnahme wegen angeblicher Verstöße gegen die strengen muslimischen Kleidervorschriften ausgebrochen waren.
Das Ergebnis der Abstimmung sei ein Zeichen dafür, dass Wähler einen „ernsthaften Wandel in der Regierungsführung des Landes wollen“, sagte der ehemalige moderat-konservative Präsident Hassan Ruhani. Die Iraner hätten für die „konstruktive Interaktion mit der Welt“ und die Wiederbelebung des Atomabkommens gestimmt, fügte er hinzu. Der Vertrag mit westlichen Staaten war während der Amtszeit Ruhanis 2015 verabschiedet worden. Die USA kündigten das Atomabkommen 2018 einseitig auf.
Trotz der Wahl Peseschkians machen sich die USA keine großen Hoffnungen auf eine Verbesserung der Beziehungen, wie Außenamtssprecher Vedant Patel erklärte. Washington gehe nicht davon aus, dass es zu einem „fundamentalen Wandel“ in der iranischen Politik komme oder dass das „iranische Regime die Menschenrechte und Würde seiner Bürger mehr respektiert“.
Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth schrieb im Online-Dienst X, auch mit Peseschkian als Präsident bleibe der Iran „ein Terrorstaat und fundamentalistisches Mullahregime, das den russischen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine unterstützt, Israel zerstören und eine Atombombe bauen will“. Das Land müsse weiter isoliert werden, forderte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag.
Der russische Präsident Wladimir Putin gratulierte Peseschkian zum Sieg. „Ich hoffe, dass Ihre Haltung als Präsident zur Stärkung der konstruktiven bilateralen Zusammenarbeite zwischen unseren befreundeten Völkern beitragen wird“, teilte er Peseschkian den Angaben des Kreml zufolge mit.
Chinas Präsident Xi Jinping sagte laut Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua, er wolle die „strategische Partnerschaft“ weiter ausbauen. Peking ist der wichtigste Handelspartner des Iran und ein wichtiger Abnehmer für das mit Sanktionen belegte iranische Öl. Glückwünsche kamen unter anderem auch aus Indien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar und Kuwait sowie Saudi-Arabien. Der Iran bemüht sich seit längerem, die Beziehungen zu den arabischen Staaten in der Region nach jahrzehntelangen Spannungen zu verbessern.
Ebenfalls gratulierte Syriens Machthaber Baschar al-Assad, für den Teheran ein wichtiger Verbündeter ist.
Die Präsidentschaftswahl im Iran war ursprünglich erst für 2025 geplant gewesen. Sie wurde aber nach dem Tod von Amtsinhaber Raisi am 19. Mai bei einem Hubschrauberabsturz vorgezogen.