Freude am Fahren – das war einmal. Brüssel sei Dank, bekommen die Autofahrer durch den Tempowarner ein Pieps-Konzert. Denn der intelligente Geschwindigkeitsassistenten ist alles andere nur nicht intelligent.
Während der Bürger noch am angeschweißten Flaschendeckel zu kauen hat, hat die EU bereits das nächste Nerv-Programm an den Start gebracht. Mit Pieps-Terror sollen die Unfallzahlen im Verkehr gesenkt werden. Das hat noch nicht jeder bemerkt, weil nur Neuwagen mit dem europäischen Erziehungsfeature ausgestattet sind. Doch im Laufe der Zeit wird jedes Auto damit beglückt, denn ab dem 7. Juli gehört es zur Pflichtausstattung.
Worum geht es? Zu hohe Geschwindigkeit ist eine der Hauptunfallursachen. Wäre da nicht viel geholfen, wenn die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit eingehalten wird? Den Wagen einfach automatisch einzubremsen, schien doch etwas radikal, aber ein Piepston, der an die Verletzung erinnert, ist kein Drama. Bei nicht angelegten Gurten ist das schließlich auch so.
Schleichen oder Piepsen sagt der Tempowarner
Die Idee klingt ganz überzeugend, zumindest für Personen, die nie selbst am Steuer sitzen, weil dort der Chauffeur Platz nimmt. Problem Nummer eins: Es ist nur eine minimale Toleranzzone vorgesehen. In der Tempo-30-Zone quäkt der Piepser bei 31 km/h los, entsprechend bei 50, 70 etc. Da aber niemand absolut konstant 50 fahren kann, piepst es unentwegt. Überholen in der Stadt – und sei es nur ein Fahrrad – ist praktisch unmöglich. Wer den Piepser vermeiden will, muss selbst eine Karenzzone einhalten. Also sein Tempo auf knapp über 40 einpegeln, damit er nicht bei jedem Manöver die Piepser-Schwelle überschreitet. Eine wirkliche Alternative ist das nicht, denn so löst er ein Hupkonzert der Altautofahrer hinter sich aus, inklusive wütender Überholmanöver.
Erkennung häufig fehlerhaft
Leider funktioniert das System nicht reibungslos. Das ist beim Gurtwarner nicht anders, aber es kommt relativ selten vor, dass die Einkaufstüte, den Alarm auslöst und man dann Obst und Brot anschnallen muss. Das Tempowarn-System arbeitet mit einer Mischung von Kartenmaterial und optischer Signalerkennung. Leider ist das Kartenmaterial nie zu 100 Prozent auf dem aktuellen Stand und das Erkennen von Temposchildern eine unsichere Sache. Jeder, der so eine Erkennung benutzt, weiß, es ist ein Hinweis, aber vertrauen kannst du ihm nicht. Temposchilder werden übersehen und auch die Aufhebung. Es ist normal, dass der Computer glaubt, dass eine „Tempo 60“ Anordnung auf der Autobahn auch noch Kilometer hinter der Baustelle gilt. Dann ist guter Rat teuer, entweder man schleicht weiter, nun mit wütenden Lkw im Schlepptau, oder man startet durch und entfesselt ein piepsendes Inferno.
Deckel Pflicht Kommentar 15.35
Ganz so schlimm muss es nicht kommen. Die Hersteller haben einen Spielraum, wie sie die entsprechende Richtlinie umsetzen. Bei einigen Autos lässt sich der Piepser relativ komfortabel zeitweise abstellen, bei anderen müsste man sich durch die Untermenüs wühlen. Doch so oder so wird jeder Fahrer eines neuen Wagens jeden Tag daran erinnert, wie Brüssel ihn im Alltag nerven will.
Teure Assistenten werden Pflicht
Dazu haben die zwangsweisen Sicherheitsfeatures einen weiteren Effekt: All das ist nicht umsonst zu haben. Bei einem Auto ab der Mittelklasse fallen praktisch keine Mehrkosten an, Navigation und Signalerkennung sind ohnehin an Bord. Doch einfache, kleine Autos hätten das nicht. Wozu braucht ein City-Car sowas auch? Navigieren kann man mit dem Smartphone meist besser als mit den fest installierten Lösungen. Nun braucht es eine Kamera, einen Rechner für die Signalerkennung und eine Navigation mit der Möglichkeit der Online-Aktualisierung. Böse gesagt: Hier wird den nicht so Betuchten der Zugang zur individuellen Mobilität möglichst sauer gemacht. Der „intelligenten Geschwindigkeitsassistenten ISA“ ist nur ein Bestandteil eines ganzen Pakets an Assistenten, die nun teure Pflicht sind. Sie alle kosten, besitzen im Alltag allerdings nicht das Nervpotenzial des Tempo-Piepsers.