Nach Flugunglück: Wie Turbulenzen entstehen und auf welchen Strecken die meisten zu erwarten sind

Während eines Flugs von London nach Singapur kam es zu starken Turbulenzen. Viele Passagiere wurden verletzt, ein Mann starb. Wie entstehen solche Verwirbelungen? Und wie gefährlich sind sie? Ein Überblick.

Am Dienstag kam es während eines Flugs von London nach Singapur zu schweren Turbulenzen. Das Flugzeug der Singapore Airlines sackte plötzlich dramatisch ab, Menschen wurden an die Decke geschleudert. „Einige Leute schlugen mit dem Kopf auf die Gepäckablage und verbeulten sie, sie trafen auf die Stellen, an denen sich die Lampen und Masken befinden, und durchbrachen sie“, berichtete ein Passagier der „BBC“. Mehr als 70 Passagiere mussten nach der Notlandung in Bangkok im Krankenhaus behandelt werden, sieben davon waren schwer verletzt. Ein Mann kam bei dem Unglück ums Leben. Ein Albtraumszenario. 

Wie entstehen Turbulenzen? Wie gefährlich sind sie? Und welche Strecken sind besonders oft betroffen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen im Überblick. 

Wie entstehen Turbulenzen?

Gerade noch gleitet man sanft über den Wolken, das Wetter ist gut, der Himmel ruhig. Dann sackt das Flugzeug plötzlich ab und das Herz rutscht in die Magengrube. Auch wenn Turbulenzen in erster Linie mit schlechtem Wetter, Gewitter und Sturm verbunden werden, können sie auch dann auftreten, wenn der Blick aus dem Fenster einen sanften Flug verspricht. 

Turbulenzen entstehen durch „chaotische“ Luftbewegungen beziehungsweise Verwirbelungen. Selbst das Wetterradar kann diese mitunter nicht erkennen. Bei sogenannten Windscherungen kreuzen sich verschiedene Luftmassen, wodurch sich die Geschwindigkeit und Richtung des Winds über eine kurze Distanz ändert. „Je geringer die Distanz ist, über welche der Richtungs- oder Geschwindigkeitswechsel auftritt, desto stärker ist die Scherung“, beschreibt der „Deutsche Wetterdienst“. Für Flugzeuge seien in erster Linie Low-Level-Windscherungen, also solche in niedrigen Höhen, entscheidend. Grafikstück Sicherheit Luftfahrt 12:58

Solche Turbulenzen müssen nicht immer gleich nicht gefährlich sein. Gerade während der Start- oder Landephase können Windscherungen aber problematisch werden, wenn das Flugzeug durch sie plötzlich absackt oder hochsteigt. In diesem Zusammenhang wird fälschlicherweise auch oft von Luftlöchern gesprochen. Im aktuellen Fall des Flugunglücks der Singapore Airlines deuten Daten der Plattform Flightradar daraufhin, dass die Boeing um fast zwei Kilometer abgesackt ist. 

Wie gefährlich sind Turbulenzen?

Unterschieden werden Turbulenzen in vier Kategorien: leicht, mäßig, stark und extrem. Kommt es zu Turbulenzen, werden Passagiere in der Regel vom Flugpersonal und dem Leuchtsignal aufgefordert, sich zu setzen und anzuschnallen. Empfohlen ist ohnehin, den ganzen Flug über angeschnallt am Platz zu verbringen. Auch, weil es zu sogenannten Clear-Air-Turbulenzen kommen kann, die ohne Vorwarnung auftreten, 

Bei leichten Turbulenzen ist kaum mehr als ein Ruckeln zu erwarten. Bei starken Turbulenzen aber übersteige die vertikale Bewegung des Flugzeugs die Anziehungskraft der Schwerkraft, erklärt Thomas Guinn der „New York Times“. Guinn ist Professor für Angewandte Luftfahrtwissenschaft an der Embry-Riddle Aeronautical University. Er sagt: „Das bedeutet, dass Sie, wenn Sie nicht angeschnallt sind, per Definition zu einem Projektil werden, Sie sind ein Katapult, Sie werden aus Ihrem Sitz herausgehoben.“ Gefährlich droht außerdem, wenn Gepäck und andere Gegenstände wegen der Turbulenzen durch das Flugzeug fliegen.Der Passagier Alan Cross dokumentierte die chaotischen Zustände im Flugzeug der Singapore Airlines nach den Turbulenzen.
© Alan Cross/Exclusivepix

Auch bei dem Flugunglück am Dienstag wurden Berichten zufolge alle, die nicht angeschnallt waren, an die Decke geschleudert. Die meisten Verletzungen seien laut des Bangkoker Flughafendirektors Kittipong Kittikachorn durch Kopfstöße verursacht worden.

Gibt es Flugrouten, auf denen Turbulenzen besonders häufig auftreten?

Bei einigen Flugstrecken kommt es häufiger zu Turbulenzen. Betroffen sind unter anderem Flüge über Gebirge, da vor allem im Bereich der Bergspitzen die Luft aufgewühlt wird. Bei Alpen-Überflügen, aber beispielsweise auch bei Flügen über die Rocky Mountains kann es erfahrungsgemäß unruhig werden. Auch bei Flügen über das Schwarze Meer, den Äquator oder den Nordatlantik kommt es regelmäßig zur Turbulenzen.

Eine Liste der turbulentesten Flugrouten hat das Portal turbli.com veröffentlicht. 2023 waren die Top 5: Santiago de Chile (Chile)–Santa Cruz (Bolivien); Almaty (Kasachstan)–Bischkek (Kirgistan); Lanzhou (China)–Chengdu (China); Nagoya (Japan)–Sendai (Japan); Mailand (Italien)–Genf (Schweiz).Allegris-FS

Nehmen Turbulenzen in Zukunft zu?

Forschende der britischen University of Reading gehen davon aus, dass das Risiko für Turbulenzen steigt. Sie hatte für eine Studie Daten aus den Jahren 1979 bis 2017 ausgewertet und dabei festgestellt, dass es in den vergangenen 40 Jahren tatsächlich zu einem Anstieg von Turbulenzen gekommen ist. Als Ursache sehen die Forschenden den Klimawandel, der die Windverhältnisse ändert. In Zukunft führe das zu mehr Windscherungen. 

Als besonders betroffen wurden dabei die Gebiete über den USA und dem Nordatlantik identifiziert. Grund dafür sei, dass sich das Gebiet südlich des Jetstroms stärker erwärme als das Gebiet davor. Die stärker werdenden Temperaturunterschiede sorgen demnach zugleich für stärkere Windscherungen und also auch stärkere Turbulenzen.

Quelle: Studie Turbulenzen, Deutscher Wetterdienst, New York Times, The Telegraph,WDR,Tagesschau, Spiegel,Aerotelegraph, Turbli, BBC