Mit Spannung wird das Endergebnis der Präsidentenwahl im Iran erwartet. Kann der Reformer Peseschkian seinen Vorsprung gegen Hardliner Dschalili halten?
Bei der Präsidentenwahl im Iran führt der moderate Massud Peseschkian knapp. Nach der Auszählung von gut 80 Prozent der Wahllokale lag der Politiker des Reformlagers mit rund 12,7 Millionen Stimmen knapp vor dem Hardliner Said Dschalili, wie der Sprecher der Wahlbehörde am Samstag im Staatsfernsehehen verkündete. Der ultrakonservative Herausforderer kam demnach auf 10,4 Millionen Stimmen.
Rund 61 Millionen Menschen waren am Freitag dazu aufgerufen, zwischen Peseschkian und Dschalili zu wählen. Die vorgezogene Wahl war nach dem Tod von Amtsinhaber Ebrahim Raisi angesetzt worden, der im Mai bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen war. Die Wahllokale waren nach mehrmaliger Verlängerung durch das Innenministerium noch bis in die späten Abendstunden geöffnet.
Von 80 Bewerbern hatte der sogenannte Wächterrat, ein mächtiges islamisches Kontrollgremium, nur sechs als Kandidaten zugelassen. Zwei von ihnen zogen sich schon vor der ersten Abstimmung zurück. Anders als in vielen anderen Ländern ist der Präsident im Iran nicht das Staatsoberhaupt. Die eigentliche Macht konzentriert sich auf den Religionsführer Chamenei.
Reformkandidat gegen Hardliner
Der Reformkandidat Peseschkian ist 69 Jahre alt und stammt aus dem Nordwesten Irans. Im Wahlkampf warb der bisher eher unscheinbare Politiker für neues Vertrauen zwischen Regierung und Volk, das nach gescheiterten Reformversuchen, politischer Repression und einer Wirtschaftskrise von der Politik maßlos enttäuscht ist. Wie viele Politiker des Reformlagers forderte er eine Verbesserung der Beziehungen zum Westen.
Dschalili gehörte früh zum engsten Machtzirkel und arbeitete im Büro des Religionsführers. Unter dem umstrittenen früheren Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad war Dschalili Chefunterhändler bei den Atomverhandlungen. Der Hardliner genießt breite Unterstützung von radikalen und loyalen Systemanhängern. Er gilt als eiserner Verfechter der Ideologie der Islamischen Revolution im Iran.
Wenig Wahlstimmung, viel Frustration
Bei der ersten Runde am vergangenen Freitag hatte die Wahlbeteiligung nach offiziellen Daten mit rund 40 Prozent ein Rekordtief erreicht. Darin spiegelt sich die große Enttäuschung vor allem der jungen Generation, die den Glauben an große innenpolitische Veränderungen verloren hat. Der Tod der jungen Kurdin Jina Masa Amini im Herbst 2022 entfachte landesweite Proteste gegen das islamische Herrschaftssystem.
Peseschkian kam vor einer Woche auf rund 10,4 Millionen (rund 42,5 Prozent), Dschalili auf 9,4 Millionen Stimmen (38,7 Prozent). Für den konservativen Drittplatzierten, Parlamentspräsident Mohammed Bagher Ghalibaf, stimmten etwa 3,4 Millionen Landesbewohner. Er sprach dann Dschalili seine Unterstützung aus. Damit ging das konservative Lager mit einem leichten Vorteil in die Runde. Reformkandidat Peseschkian müsste für einen Sieg vor allem Nichtwähler umstimmen.
Irans politisches System vereint seit der Revolution von 1979 republikanische und auch theokratische Züge. Freie Wahlen gibt es jedoch nicht: Der Wächterrat prüft Kandidaten stets auf ihre ideologische Eignung. Eine grundsätzliche Kritik am System wird nicht geduldet, wie die Niederschlagung von Protesten in den vergangenen Jahren zeigte.