Der Stromboli in Süditalien gehört zu den aktivsten Vulkanen der Welt, was für Reisende Vor- und Nachteile hat. Warum er so explosiv ist, erklärt ein Geologe auf der Insel.
Er spuckt schon wieder: Für Besucher und Vulkanologen ist der Stromboli buchstäblich ein Dauerbrenner. Der rund 900 Meter hohe Vulkan auf der gleichnamigen Insel bei Sizilien schleudert fast im Minutentakt in vielen kleineren Explosionen Lavafetzen, Gesteinsbrocken und Asche in die Luft. Ein Muster, das ihn für Wanderer, Fototouristen und Wissenschaftler hochattraktiv macht und so typisch ist, dass Vulkanologen solche ständigen Eruptionen als „strombolianisch“ bezeichnen.
Voraussetzung für seine Explosivität ist die Kombination aus eher zähflüssiger Lava in seinem Schlot und Gasblasen, die nur schwer darin aufsteigen können – aber dann bei Erreichen der Oberfläche mit großer Wucht zerplatzen und die Lava in die Luft verspritzen. Gerade erst belegte eine neue Studie, dass die Lava des Stromboli so zäh ist, weil darin enthaltene Metalle wie Titan und Eisen die Bildung von Kristallen beschleunigen.
Der Stromboli ist nur schwer berechenbar
Gleichzeitig ist der Berg ein sehr „spontaner“ Vulkan und nur schwer berechenbar: Sein Aktivitätslevel schwankt von Tag zu Tag – weshalb Touristen, die mit den Fähren von Neapel oder Sizilien übersetzen, immer einkalkulieren müssen, dass ihr Besuch beim feuerspeienden Berg kurzfristig gecancelt werden muss.
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Auch jetzt ist der Berg mal wieder komplett gesperrt, erzählt Adriano Di Pietro. Der studierte Geologe und Geophysiker stammt von Sizilien und lebt seit sieben Jahren auf Stromboli. Er ist einer der wenigen behördlich lizensierten Vulkanführer auf der Insel. Seit den letzten großen Ausbrüchen 2003 und 2007 darf der Vulkan nur noch mit solchen offiziellen Guides bestiegen werden. Di Pietro führt für das Unternehmen „Magmatrek“ Touristen zum Vulkan, zuletzt noch vor wenigen Tagen.
„Schon seit zwei Wochen erhöhte Aktivität“
„Schon seit zwei Wochen registrierten die Messgeräte hier eine erhöhte Aktivität“, erzählt Di Pietro. Der Stromboli spritzte Lava, oder sie lief über seine Flanke, Erdbeben und Explosionen nahmen zu. Die Behörden hatten daher die vulkanische Warnkategorie bereits von „gelb“ auf „orange“ angehoben. „Ich durfte mit meinen Gästen nur noch bis auf 290 Meter über dem Meeresspiegel den Berg hinaufgehen. Bei normaler Aktivität sind es 400 Meter, das entspricht etwa der halben Höhe des Vulkans“, sagt Di Pietro. Der Gipfel selbst mit mehreren Kratern ist schon seit einer größeren Explosion 2019 tabu, bei der ein Tourist ums Leben kam.
Experte für den Stromboli: Der Sizilianer Adriano Di Pietro ist Geologe und Geophysiker und lebt auf Stromboli. Als einer der wenigen lizensierten Guides führt er Touristen auf den aktiven Vulkan
© Ulla Lohmann
Am Donnerstagnachmittag gegen 16.30 Uhr habe es dann laut Di Pietro noch mehrere Erdrutsche auf der Vulkanflanke gegeben. Auch die Sorge vor einem Tsunami sei gestiegen. „Zugleich bildeten sich Öffnungen, aus denen Lavaflüsse austraten. Die Menschen wurden aufgefordert, den Strand zu verlassen und einen sicheren Platz aufzusuchen.“ Um Mitternacht herum habe der Vulkan dann dicken, schwarzen Rauch ausgestoßen.
Fähren dürfen auf Stromboli nicht mehr anlegen
Daher haben die Behörden nun den gesamten Berg gesperrt, eigentlich sogar die ganze Insel: Selbst Fähren mit Touristen dürfen zurzeit nicht mehr anlegen. Dafür sind Experten und der italienische Zivilschutz auf Stromboli, um die Lage zu überwachen. Da der Stromboli nicht nur Lava fließen lässt, sondern auch Asche und glühende Fetzen in die Luft schleudert, besteht die Gefahr, dass heiße Brocken auf Wanderwegen einschlagen. Aktuell befürchtet die Behörde möglicherweise auch „pyroklastische Ströme“: rasend schnelle Glutlawinen aus heißen Gasen, Gestein und Asche, denen Menschen praktisch nicht entkommen könnten.
Die beiden Dörfer auf der Insel – der Hauptort Stromboli im Nordosten und das kleinere Ginostra im Südwesten – bleiben normalerweise vom Auswurf des Vulkans verschont: Lava und Brocken schlittern meist über die Nordwestflanke des Stromboli ins Meer, die „Sciara del Fuoco“ – die „Feuerrutsche“. Doch bei einem großen Ausbruch im Jahr 1930 regneten auch Steine auf die Ortschaften, eine Glutlawine suchte sich ihren Weg durch eine Schlucht bis nach San Bartolo, einen Teil des Ortes Stromboli. Boote verbrannten im Hafen, das Meerwasser begann zu kochen, sechs Menschen starben. Damals verließen viele Insulaner den Ort, Stromboli bliebt lange Zeit fast verwaist – bis Bewohner und Touristen allmählich zurückkehrten.
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Doch von Unwägbarkeiten gebeutelt ist der Vulkantourismus auf der Insel bis heute. Wie lange die aktuelle Zwangspause auf Stromboli anhält, weiß laut Adriano Di Pietro niemand einzuschätzen. Bei ähnlichen Ereignissen in der Vergangenheit habe die verstärkte Aktivität des Vulkans über Wochen oder Monate angehalten, so der Guide. “Die Menschen auf der Insel beunruhigt das nicht besonders, sie sind es gewohnt damit zu leben. Aber unter den Gästen löst es teils schon Sorge aus.“
Aktive Vulkane: Auch der Ätna spuckt wieder
Auch rund um den Stromboli brodelt es. Der Berg ist Teil einer größeren geologisch aktiven Region in Süditalien zwischen dem Golf von Neapel und Sizilien: Hier treffen zwei Erdplatten aufeinander: ein Zipfel der Afrikanischen Platte schiebt sich unter die Eurasische Platte, was mit Rissen und Faltungen der Erdkruste einhergeht – und immer wieder mit Erdbeben und Vulkanausbrüchen. Zurzeit sind auch der Ätna auf Sizilien und die Region um Neapel mit dem Vesuv aktiv. Und westlich von Neapel liegen noch die Phlegräischen Felder, ein rund 200 Quadratkilometer großes Vulkanfeld, unter dem sich eine gewaltige Magmakammer befindet. Geologen rechnen dort irgendwann mit einer gewaltigen Explosion, die die gesamte Region rund um Neapel in Mitleidenschaft ziehen könnte. Erst im Mai erschütterte ein Erbeben der Stärke 4,4 Neapel. Die Epizentren der letzten Beben rücken zudem immer näher an die Metropolregion heran.
Allerdings müssten nicht alle vulkanischen Aktivitäten in der Region unmittelbar zusammenhängen, erklärt Geologe Adriano Di Pietro. „Dass zeitgleich auch der Ätna aktiv ist, kann Zufall sein. Die beiden vulkanischen Systeme sind doch recht weit voneinander entfernt und hängen geologisch nicht zusammen.“ Eine generelle Zunahme vulkanischer Aktivität sei in Italien nicht zu erkennen, trotz der Ereignisse der jüngsten Vergangenheit: Er gebe eben Phasen mit stärkerer und schwächerer Aktivität.