Hurrikan „Beryl“ hat nach seinem zerstörerischen Zug durch die Karibik eine beliebte Touristenregion an der Küste Mexikos erreicht. Der Wirbelsturm traf am Freitag beim Badeort Tulum mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 160 Stundenkilometern auf die Küste der Halbinsel Yucatán, wie das Nationale Hurrikan-Zentrum der USA (NHC) mitteilte. Mexikos Wetterdienst warnte vor Windböen von bis zu 220 Stundenkilometern und sechs bis acht Meter hohen Wellen. Viele Urlauber flüchteten in Richtung der Touristenhochburg Cancún.
„Bitte bleiben Sie zu Hause“, bat die Gouverneurin des Bundesstaates Quintana Roo, Mara Lezama, die Menschen in einem Video. In Tulum waren die Hotels direkt an den Stränden vorsorglich geräumt worden. Viele Touristen versuchten, die Gefahrenzone mit Bussen zu verlassen. „Wir fahren nach Cancún“, sagte die Britin Lili. „Wir wollen so nah wie möglich am Flughafen sein.“
Am Flughafen von Cancún, dem zweitgrößten Flughafen Mexikos, wurden rund 100 Flüge gestrichen. Der Flughafen von Tulum hatte seinen Betrieb schon am Donnerstag eingestellt.
Andere Urlauber genossen am Donnerstag noch einen sonnigen Tag am Strand. „Unser Flug wurde annulliert und wir mussten zwei weitere Nächte im Hotel bezahlen“, berichtete die Mexikanerin Virginia Rebollar. „Wir haben ein bisschen Angst, aber wir sind sicher, dass die Leute hier vorbereitet sind und wissen, was zu tun ist.“
Mexikos Armee hat nach eigenen Angaben rund 8000 Soldaten nach Tulum geschickt. Sie sollen im Notfall Nahrungsmittel und 34.000 Liter Trinkwasser verteilen. In Cancún hatten viele Menschen schon in den vergangenen Tagen die Supermärkte leergekauft. Hotels verbarrikadierten ihre Fenster. In der gesamten Region wurden Schulen geschlossen und Notunterkünfte eingerichtet.
„Beryl“ erreichte Mexiko nach NHC-Angaben als Hurrikan der Kategorie 2 auf der fünfstufigen Skala. Über Yucatán sollte er sich den Vorhersagen zufolge weiter abschwächen und dann über den Golf von Mexiko und das nordostmexikanische Festland bis zum US-Bundesstaat Texas weiterziehen.
Der Sturm werde voraussichtlich am Freitagabend (Ortszeit) den südwestlichen Golf von Mexiko erreichen und über dem Meer möglicherweise wieder leicht an Stärke zunehmen, erklärte das NHC. Bis Ende der Woche werde er sich dann in Richtung Nordost-Mexiko und Süd-Texas bewegen. Im an die USA angrenzenden mexikanischen Bundesstaat Tamaulipas seien bereits Vorbereitungen im Gange, erklärte Präsident Andrés Manuel López Obrador.
„Beryl“ hatte auf seinem Zug durch die Karibik zuvor in mehreren Karibikstaaten und an der Küste Venezuelas schwere Zerstörungen angerichtet. Seit Montag starben mindestens sieben Menschen in Grenada, Venezuela und im Inselstaat St. Vincent und die Grenadinen.
In einigen Karibikstaaten, wo „Beryl“ als Hurrikan der Stärke 4 und 5 wütete, sind die Schäden nach Angaben des Roten Kreuzes größer als bisher angenommen: In Grenada habe der Hurrikan „die Inseln Cariacou und Petite Martinique vollständig zerstört“, sagte die Katastrophenschützerin Rhea Pierre, die für die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung in Trinidad und Tobago stationiert ist, am Freitag in einer Videoschalte. Auf Cariacou hätten die Menschen „alles verloren“.
In St. Vincent und die Grenadinen seien 90 Prozent aller Häuser auf der Insel Union Island weggespült worden, erklärte Regierungschef Ralph Gonsalves. Pierre berichtete, Menschen, die von Union Island auf die Hauptinsel kämen, hätten „nichts mehr außer den Kleidern, die sie am Leib tragen“.
„Beryl“ war der erste Hurrikan seit Beginn der Aufzeichnungen, der bereits zu Beginn der atlantischen Hurrikan-Saison im Juni die Stärke 4 erreichte. Zudem erreichte noch nie ein Wirbelsturm so früh im Jahr auch die höchste Hurrikan-Kategorie 5.
Entscheidend für die Entstehung von Hurrikanen ist die Oberflächentemperatur des Meeres. Derzeit ist das Wasser im Nordatlantik laut dem US-Institut für Ozean- und Atmosphärenforschung (NOAA) zwischen einem und drei Grad Celsius wärmer als normal. Das NOAA erwartet in diesem Jahr eine „außergewöhnliche“ Hurrikan-Saison mit bis zu sieben Stürmen der Kategorie 3 oder höher.