Seit Mitternacht sind vorläufige Zusatzzölle auf E-Autos aus China in Form einer Sicherheitsleistung in Kraft. Nun müssen beide Seiten Verhandlungen führen, um einen fairen Wettbewerb zu sichern.
Nach der Einführung vorläufiger Zusatzzölle auf Elektroautos aus China stehen Brüssel und Peking intensiven Verhandlungen bevor. Beide Seiten haben zwar ihr Interesse bekundet, eine Lösung zu finden – ob das gelingt, ist aber offen. So hatte auch Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) vor knapp zwei Wochen persönlich in China verhandelt, jedoch keinen Durchbruch erzielt. Vier Monate haben die Parteien jetzt Zeit, dann muss eine Entscheidung getroffen werden, ob auch endgültig hohe Sonderabgaben verlangt werden.
Die EU-Kommission hatte zuvor in einer aufwendigen Untersuchung geprüft, inwiefern E-Autos aus China von Subventionen profitieren, die den Wettbewerb verzerren. Das Ergebnis veröffentlichte die Behörde gestern in einer mehr als 200 Seiten langen Verordnung. Aus EU-Sicht ist die Sache klar: Es gibt unfaire Subventionen, der europäischen Autoindustrie drohen Schäden. Das sieht die deutsche Autoindustrie aber ganz anders.
Viele Märkte gehen stärker gegen China vor
Dabei gehen andere Drittstaaten noch deutlich vehementer gegen Importe aus Fernost vor. China ist zwar der größte Automarkt der Welt – aber für Peking selbst sind viele Märkte bereits kostspieliger geworden. Die Vereinigten Staaten hatten im Mai Sonderzölle von 100 Prozent auf E-Autos verhängt, was den Markt für Importe aus China regelrecht versperrt.
„Die Amerikaner schotten ihren Markt jetzt ab, ebenso Brasilien, Mexiko und die Türkei“, sagte jüngst Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Somit bleibt Europa vorerst für chinesische Firmen ein attraktiver Markt. Eine Verhandlungslösung mit Peking wird in Brüssel Chancen eingeräumt.
Die vorläufigen Zölle der EU-Behörde sind teils deutlich niedriger als etwa die der USA: 17,4 Prozent für den Hersteller BYD, 19,9 Prozent für Geely und 37,6 Prozent für SAIC. Für andere Firmen sind 20,8 Prozent vorgesehen, und für Unternehmen, die bei der Untersuchung nicht kooperiert hatten, würde ein Strafzoll in Höhe von 37,6 Prozent fällig. Die Zölle kommen auf einen bereits bestehenden Zollsatz von zehn Prozent hinzu.
Positive Reaktionen von deutschen Europaabgeordneten
Deutsche Europaabgeordnete sehen das Vorgehen der Kommission – anders als etwa deutsche Politiker in Regierungsverantwortung – eher positiv. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Daniel Caspary, sprach von einer klaren Botschaft: „Die EU lässt sich im Welthandel nicht naiv an der Nase herumführen.“ Die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im EU-Parlament, Anna Cavazzini, sieht in den Zöllen ebenfalls eine richtige Entscheidung, um die Industrie vor unfairem Dumping zu schützen.
Damit widerspricht sie offen ihrem Parteifreund und baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann. Er hatte gesagt: „Das ist mit Abstand die dümmste Idee der EU-Kommission.“ Er fürchtet Nachteile für die deutsche Industrie. Wirtschaftsminister Habeck hatte ähnlich wie Finanzminister Christian Lindner (FDP) darauf gedrängt, dass man auf Dumping reagieren müsse, aber vor einem möglichen Zollwettlauf gewarnt.
Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange, betonte, ein konstruktiver Dialog zwischen Peking und Brüssel sei wichtig. „Bei solchen Handelsstreitigkeiten gibt es nie Gewinner“, sagte der SPD-Politiker.
In Deutschland sorgt das Vorgehen der EU-Kommission für Sorgen, weil etwa Vergeltungsmaßnahmen befürchtet werden, die vor allem deutsche Autohersteller treffen könnten. Zudem stellen deutsche Firmen in China Autos für den Export her. FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler betonte, dass die Strafzölle auf E-Autos nur eine vorläufige Maßnahme bleiben dürfen.
Abstimmung über endgültige Zölle
Solange keine endgültige Einführung der Strafzölle beschlossen wird, müssen diese nicht gezahlt, sondern nur Sicherheitsleistungen hinterlegt werden. Sollten die Verhandlungen mit China nicht zufriedenstellend verlaufen, könnte die EU-Kommission einen Vorschlag für die Einführung von endgültigen Strafzöllen vorlegen. Die EU-Staaten könnten die dann vorgeschlagenen Zölle nur stoppen, wenn sich eine sogenannte qualifizierte Mehrheit gegen den Vorschlag ausspricht.
Sollte es dazu kommen, dass Sonderzölle eingeführt werden, befürchten einige, dass E-Autos mehr kosten werden. Der Vizepräsident des Zentralverbands deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), Thomas Peckruhn, sagte: „Für die Verbraucherinnen und Verbraucher werden dadurch die zur Verfügung stehenden Elektrofahrzeuge deutlich teurer, zumal der Wettbewerbsdruck für europäische Hersteller abnimmt.“